Das Ostergeheimnis
Liebe Dosis, soeben habe ich (verbotenerweise *schäm*) in Charlys Tagebuch
geblättert und folgende Eintragung von heute morgen gefunden, die ich euch
nicht vorenthalten wollte:
"Wahrlich, es ist nicht leicht, ein Osterkatz zu sein... !"
Noch dazu, da niemand auch nur ahnt, daß WIR, die feline Art, die Ostertage
zu einem Glückserlebnis für jung und alt gestalten ...
WIR sind es, die den humanen Wesen die Möglichkeit schaffen, dieses Brauchtum
zu celebrieren, nicht etwa diese alberne Hasenbande! Aber das ist ein Geheimnis,
welches seit Jahrhunderten in uns schlummert ... Die humane Rasse ist einfach
zu stupid, um es zu lüften! Wer sich hinter Klapperstörchen verstecken muß,
wenn es um das Thema der Arterhaltung geht und es nötig hat, einen finsteren
Gesellen mit langem Bart und rotem Mantel herbei zu zitieren, um sich zum
Weihnachtsfest ein paar Geschenke zu machen, für solchesgleichen ist es
natürlich einfach, Meister Lampe als eierbringenden Wicht auszuzeichnen,
der mit der Kiepe auf dem Rücken durch das Gras des Gartens schleicht, die
Pfoten noch ganz bunt von der vielen Malerei, um dort die besten Verstecke
für seine Gabe zu suchen...
Welch ein hanebüchener Unsinn! Dabei weiß doch jedes Kind, daß wir Katzen
die Meister der Verstecke sind! Keiner kann es uns nachtun, wenn wir beabsichtigen,
uns selbst oder etwas verschwinden lassen zu wollen! Und was die Gestaltung
der bunten Osterleckerei angeht, wer käme außer den Menschen schon auf den
Gedanken, daß ein dummes Langohr in der Lage wäre, kreative Eigenschaften
zu entwickeln! Wir Felis dagegen haben diese Kunst sozusagen gepachtet,
liegt uns doch phantasievolle Genialität und grenzenloser Einfallsreichtum
bereits von Geburt an in den Pfoten und im felinen Blut!
Und woher, bitte schön, sollen die stummelschwänzigen Wichtigtuer auf dem
Felde wohl von den Wünschen unserer Dosis wissen? Nur wir, die wir Tag und
Nacht unser Heim mit ihnen teilen, können mit traumwandlerischer Sicherheit
erahnen, was unsere Menschen glücklich machen wird! Natürlich ist nicht
ganz von der Pfote zu weisen, daß die Karnickel durchaus eine Rolle bei
der ganzen Osterei spielen. Schließlich käme keine Katze auf die Idee, eine
Kiepe voller Eier durch die Gegend zu schleppen! Nein, solche Arbeiten kann
getrost den minderbemittelten Langohren überlassen werden.
Die Katze beschränkt sich lediglich auf das Zuweisen der Verstecke, während
der Mümmelmann keuchend die Last zur angegebenen Stelle schleppen darf ...
Auch bei der Eierbemalung dürfen die Trommler helfen. Zwar haben sie kein
Geschick zur geschmackvollen Farbgebung, zum Umrühren der Farbtöpfe sind
sie jedoch allemal geeignet.
Morgen ist es nun wieder so weit. Auch ich habe meine Pflichten als Osterkatze
bereits beim letzten Reviergang gestern abend erfüllt. Die Hühner in der
Nachbarschaft haben mir eine stattliche Anzahl Eier überlassen (als Gegenleistung
verzichte ich im nächsten viertel Jahr auf Jagdszenen im Hühnerhof), die
Eier sind vollendet bemalt (Dosine hat sich heute früh über die Farbkleckse
an meinen Pfoten gewundert, aber sie meint, ich wäre wohl in was hinein
getreten, hihi) und die Langohren haben ihre Anweisungen für die Verstecke
erhalten.
Heute abend erfolgt die Endkontrolle beim Reviergang und wenn alles perfekt
ist, kann ich beruhigt schlafen gehen und mich morgen früh an einer suchenden
Dosine erfreuen... "Als echtes Osterkatz muß ich mich natürlich auch
verstecken, versteht sich! Schließlich soll Dosine doppelten Suchspaß haben..."
Was sagt ihr dazu? Hättet ihr das von unseren Katzis gedacht?
Anja Tomczak, 22.04.2000