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Weihnachts-Story 2000

Weihnachtsstory 2000 ... erzählt von FIEDJE Teil 3

WENDTLANDS MENSCHWERDUNG

Alex und Jutta hatten inzwischen alle ihre Einkäufe in die Wohnung gebracht. Die Katze hatte mittlerweile ihre erste richtige Katzenmahlzeit mit großem Appetit verspeist. Jetzt saß sie auf Juttas Schoß im Wohnzimmer und beide sahen interessiert Alex zu, der den neuen Kratzbaum zusammenschraubte. Alle drei waren ziemlich einsilbig. Das heißt, die Katze schnurrte, sogar ziemlich laut. Aber das war auch das einzigste Geräusch, bis auf das Ticken der alten Wanduhr. Alex gab einen Schmerzenslaut von sich, als er sich einen seiner Finger einklemmte. Er fluchte, warf den Schraubenzieher mitten ins Wohnzimmer und lutsche an dem verletzen Zeigefinger. "Du machst dir Sorgen um den Jungen, nicht wahr?" fragte Jutta. "Unsinn, der hatte bestimmt die Schnauze voll von meiner spießigen Wohnung." brummte Alexander und hob den Schraubenzieher wieder auf. Später saßen sie gemeinsam auf der Couch, tranken Tee, aßen Vanillekipferl und sahen der Katze zu, die mit sichtlichem Wohlgefallen ihren neuen Kratzbaum in Besitz nahm. Plötzlich sprang Jutta auf und ging zum Telefon. Es war ein sehr modernes Telefon, das Alexander sich angeschafft hatte, als er, im Hinblick auf die geplante Computer-Anschaffung, auf ISDN umgestiegen war. Jutta drückte die Taste Wahlwiederholung. Eine Nummer erschien im Display. Alex kam näher. Die Nummer, offenbar aus der Stadt, da ohne Vorwahl, war ihm vollkommen unbekannt. Er hob den Hörer ab und aktivierte den Ruf.

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Das Freizeichen schien endlos zu dauern. Dann meldete sich eine Kinderstimme. "Jungendwohngemeinschaft Buchenweg." "Hallo ..." sagte Alexander etwas lahm. "Kann ich bitte Hergen sprechen?" "Is' nich' da." lautete die lakonische Antwort. "Kann ich dann mal einen eurer Betreuer an den Apparat bekommen?" "Moment..." Im Hintergrund waren Schritte zu hören und Musik mit starken Bässen. Es schien Minuten zu dauern, bis sich eine Männerstimme meldete:" Jugendwohngemeinschaft Buchenweg, Busse am Apparat." "Gute Tag, Herr Busse. Mein Name ist Wendtland. Alexander Wendtland. Es geht um Ihren Schützling Hergen. Den Nachnamen weiß ich nicht. Kurze, mittelblonde Haare, schmal, ca. 1,70 m groß." "Jaaa... was hat er angestellt?" Die Stimme klang alarmiert. "Nichts. Ich meine, er hat nichts angestellt. Es ist so, Hergen hat gestern Nacht hier bei mir geschlafen, er konnte offenbar nicht wieder zurück ins Haus, ich meine in die Wohngemeinschaft. Und da er hier seit heute Mittag ohne Erklärung oder Abschied einfach verschwunden ist, noch dazu ohne Mütze und Handschuhe, mache ich mir Sorgen. Ich habe gerade festgestellt, dass er von der Nummer ihrer Wohngemeinschaft heute vormittag angerufen wurde." "Hmmm ... woher soll denn hier jemand Ihre Nummer gehabt haben, wenn sie ihn gestern Abend spontan bei sich haben übernachten lassen?" Das eben wusste Alex auch nicht: "Keine Ahnung, vielleicht hat er heute Nacht ja noch im Heim angerufen, um die Lage zu checken." "Das ist möglich. Augenblick mal, ich schaue mal, wo Walter ist. Walter ist verantwortlicher Gruppenältester." Wieder waren im Hintergrund Schritte, Türenschlagen und leise Stimmen zu hören. Dann auf einmal sehr laut: "Woher soll ich wissen, wo die Pfeife sich rumtreibt. Der ist gestern nicht nach Hause gekommen. Hab' ihn überall gesucht. Der kann sich freuen, wenn ihm weiter nichts passiert, wenn er wieder auftaucht." Alex hatte den Lautsprecher eingeschaltet, damit Jutta mithören konnte. Es war unverkennbar die gehässige Stimme des jungen Mannes, der der Begleiter Hergens am Vortage am Imbissstand gewesen war. "Also, hier weiß keiner was." meldete sich Herr Busse wieder. "Ja, wollen Sie denn nicht die Polizei alarmieren oder wissen Sie vielleicht von irgendwelchen Anlaufstellen, wo er sich aufhalten könnte?" fragte Alexander. "Ach wissen Sie, wenn ich hier wegen jedem Jugendlichen, der mal eine Nacht nicht nach Hause kommt, so einen Aufstand machen würde, könnte ich den Laden gleich dichtmachen. Der kommt schon wieder, wenn ihm kalt ist oder wenn er Hunger hat." "Aber es ist fast 18 Uhr und dunkel. Draußen werden wir diese Nacht Frost bekommen. Der Junge hat weder seine Mütze noch seine Handschuhe mitgenommen ...." Alexander fasste diese kaltschnäuzige Antwort einfach nicht. "Wenn Sie was von ihm hören, sagen Sie Bescheid." bemerkte Herr Busse noch. Dann signalisierte ein piep-piep-piep im Hörer, dass aufgelegt worden war.

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Jutta und Alex, letzterer noch mit dem Hörer in der Hand, sahen sich wortlos an. "Naja..." meinte Jutta zaghaft, "... ist wahrscheinlich nicht so einfach für den Mann, für eine Bande Jugendlicher, die zum Teil schon straffällig geworden sind, verantwortlich zu sein." Alexander legte auf und setzte sich wortlos auf die Couch. Jutta setzte sich zu ihm und legte einen Arm um seine Schultern.

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Es war keine drei Minuten später, als die Katze fast beiläufig zum Sofa hinübergeschlendert kam, um dort an Juttas und Alex Beinen entlangzustreichen. Beide streichelten sie ein wenig gedankenverloren. Dann strebte die Katze fort. "Was können wir machen?" fragte Jutta. "Nichts. Wie denn? Ihn suchen in einer Stadt mit fast 100.000 Einwohnern?" In das folgende Schweigen hinein war ein sehr lautes und forderndes Miauen zu hören. Alex und Jutta standen wie auf Kommando auf , ohne sich vorher irgendwie zu verständigen und gingen in den Flur. Die Katze saß vor der Wohnungstür und begehrte offensichtlich, hinausgelassen zu werden. "Siehst du, Jutta, Streuner kann man nicht halten." Alexander wollte sarkastisch klingen, aber er hörte sich nur traurig und resigniert an. "Weißt du was, Alex. Lass' uns doch mitgehen. Hier in der Bude werden wir doch nur trübselig. Ein bisschen frische Luft und Bewegung wird uns guttun. Vielleicht will die Katze ja auch nur mal die nähere Umgebung erkunden." "Gute Idee." Jutta und Alexander zogen sich warm an, leichtes Schneetreiben hatte wieder eingesetzt. Dann öffneten sie die Wohnungstür. Die Katze verschwand wie ein Schatten im Halbdunkel des Treppenhauses und glitt Minuten später schattengleich aus der Haustür in die Nacht.

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Jutta und Alex gingen eingehakt durch den knirschenden Schnee. Schneeflocken verzierten ihre Mützen und ihre Mäntel. Sie waren etwa fünf Minuten wortlos so dahingeschlendert, als sie wieder das laute und fordernde Miauen der Katze hörten. Beide blieben stehen, um sich akustisch zu orientieren. Zunächst sahen sie gar nichts. Sie standen unter einer Straßenlaterne. Neben ihnen eine dunkle Hauseinfahrt, aus der das Miauen kam. "Kannst du was sehen?" vergeblich mühte sich Alexander, in der Dunkelheit zwischen den Mülltonnen irgendetwas zu erkennen. "Ja... " rief Jutta, "... da die Augen, unsere Katze." Tatsächlich nahm Alex jetzt auch die grün leuchtenden Augen wahr. "Was hast du denn, Katzi? Ist was nicht in Ordnung?" flüsterte er schmeichelnd. "Wahrscheinlich eine Maus oder eine Ratte, die uns die Katze zeigen will." wandte er sich an Jutta. "Schau' doch mal nach, Alex. Ich finde das irgendwie unheimlich." Eigentlich hatte Alexander nicht vor, die dunkle und unübersichtliche Häusergasse zu betreten. Aber dann tat er es natürlich doch, lockend "Miezmiez" rufend. Die Katze saß neben einer Mülltonne. Als er näherkam, waren die Augen auf einmal verschwunden. Alexander rückte schrittweise nach in die Dunkelheit, an die er sich nur langsam gewöhnte. Da waren sie wieder, die leuchtenden Augen. Die Katze saß, nunmehr vollkommen still, neben irgendetwas dunklem, länglichem. Alexander trat näher.

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"Schnell, Jutta... lauf nach Hause und ruf den Notarzt an ... und hol den Erste-Hilfe- Kasten aus dem Wagen. Der Autoschlüssel hängt neben der Tür. Kreidebleich und vor Schock atemlos übergab er ihr die Hausschlüssel. "Was ist denn los?" "Es ist Hergen. Er ist übel zugerichtet. Außerdem hat er eine Kopfwunde. Beeil dich." Jutta war zu praktisch veranlagt, um noch lange weiterzufragen. Im Laufschritt machte sie sich auf den Weg. Alexander zog inzwischen seinen Mantel aus und brachte Hergen darauf in die stabile Seitenlage.

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Obwohl es tatsächlich nur knappe fünfzehn Minuten dauerte, bis der Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene vor der Hauseinfahrt mit quietschenden Bremen zum Stehen kam, erschien es Alexander wie Stunden. Die ganze Zeit blieb die Katze in der Nähe. Sie hockte auf einer der Mülltonen und war vollkommen still. Trotzdem tröstete ihre Anwesenheit Alexander in dieser Einsamkeit, die nur nachempfinden kann, wer schon einmal in Sorge um ein Mitgeschöpf hat auf Hilfe warten müssen. Der Notarzt stellte neben den offensichtlichen Verletzungen sofort starke Unterkühlung fest. Hergen wurde in Thermofolie gewickelt und von zwei Helfern vorsichtig auf die Trage gehievt. Alexander wäre gerne mitgefahren. Aber das wurde ihm verweigert. "Städtische Kliniken, Sie können morgen anrufen. Wir brauchen ohnehin noch Ihre Daten."

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Jutta ging in dieser Nacht nicht zurück in ihr möbliertes Zimmer. Und auch die Katze war phantomgleich wieder an der Haustür aufgetaucht, als Jutta und Alex sie aufschlossen. Sie lagen alle drei gemeinsam auf Alexanders Bett. Eng aneinandergekuschelt. Jutta und Alex erzählten einander Geschichten aus ihrem bisherigen Leben ... und die Katze hörte zu. Weise, interessiert und verstehend, wie es schien. Irgendwann erwähnte Alex auch, dass die Katze Hergen so an die verschwundene Katze aus seiner Kinderzeit erinnert habe. Jutta kaute daraufhin nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Doch sie vermied es, das Thema zu vertiefen. Zu sehr waren beiden noch von den Geschehnissen des Abends gefangengenommen. Irgendwelche metaphysischen Spekulationen anzustellen, erschien ihr unangemessen. Nein, das hätte alles verdorben. Was heute passiert war, war ja wirklich. Es war Gegenwart. Wenn auch unerklärlich. Und musste es immer für alles eine Erklärung geben? Sie waren einander so vertraut, als würden sie sich schon seit ewigen Zeiten kennen.

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Irgendwann waren sie dann doch eingeschlafen. Alexander wachte am nächsten Morgen als erster auf. Er zuckte zusammen, als er sich bewegte. So verdreht hatte er noch selten geschlafen. Irgendwie schwante ihm, dass sein Bett ihm in Zukunft nie mehr alleine gehören würde. Und dieser Gedanke stimmte ihn irgendwie fröhlich. Die Katze war offenbar schon aufgestanden. Jutta schlief noch tief, zusammengerollt in seinem Arm. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, zog Alex seinen Arm unter ihr hervor. Leise ging er aus dem Schlafzimmer. In der Küche fand er die Katze. Sie saß auf dem Fensterbrett. Als sie ihn sah, sprang sie hinunter und strich leise maunzend um seine Beine. "Du hast Hunger, ja, du Held?" fragte Alexander. Er suchte sorgsam eine Dose aus, deren Inhaltsbeschreibung ihm, als Menschen, besonders vielversprechend schien. Die Katze speiste mit offensichtlichem Behagen und eigentlich sehr manierlich, wie Alexander erstaunt feststellte. Zwar schmatze sie beim Kauen, aber das klang eigentlich sehr behaglich. Amüsiert stellte er fest, dass sie die letzten beiden Stückchen im Futternapf mit einer Kralle aufspießte und so verspeiste. Das wirkte fast so, als würde sie mit Besteck essen. Alexander schaute auf die Uhr. Endlich zeigte der Zeiger auf acht Uhr. Seiner Meinung nach war das eine Zeit, in der man schon im Krankenhaus anrufen konnte. Der Klinikpförtner verband ihn mit dem Schwesternzimmer der Station. Aber außer, dass Hergens Zustand stabil war, bekam er keine Information. "Ich darf Ihnen keine weitergehenden Auskünfte geben. Das darf nur der behandelnde Arzt. Und das auch nicht in jedem Fall." war die sehr unbefriedigende Auskunft. "Und wann erreiche ich den und wie ist der Name?" erkundigte sich Alex. "Dr. Scheller ... und heute vormittag nach der Visite, so gegen 11.00 Uhr, ist er eigentlich am ehesten zu sprechen." "Danke für die Auskunft" erwiderte Alex "... ich werde da sein."

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Jutta und Alex standen pünktlich um 10.55 Uhr in der Station und meldeten sich im Schwesternzimmer. "Augenblick bitte." Die nette Schwester telefonierte, dann bat sie Alex und Jutta, ihr zu folgen. Der ältere Arzt erhob sich, als sie sein Büro betraten. Er ging auf sie zu und gab ihnen die Hand. "Sie haben den Jungen also gestern gefunden? Sind Sie verwandt mit ihm?" "Nein, aber befreundet. Und zukünftig werde ich mich um ihn kümmern, jedenfalls habe ich das vor." sagte Alex. "Wir ... wir werden uns um ihn kümmern." warf Jutta ein und hakte sich bei Alex ein. Der Arzt lächelte. "Ich habe mit dem Betreuer gesprochen, ein Herr Busse. Er hat erwähnt, dass sie Hergen erst seit zwei Tagen kennen?" Alex zog unwillkürlich die Schultern hoch: "Ja, das stimmt... " seine Stimme versagte. Er wusste nicht, wie er die besondere Situation erklären sollte. "Nun..." Dr. Scheller setzte sich wieder an seinen Tisch und machte eine einladende Geste zu den Besucherstühlen. Jutta und Alex nahmen ebenfalls Platz. "Eines kann ich Ihnen jedenfalls verraten, ohne Sie wäre der Junge tot. Die Milz war gerissen. Wir haben gestern Nacht noch operiert. Ohne OP wäre er innerlich verblutet. Es ging da wirklich um Minuten." Er sah abwartend auf das Paar, das ihm gegenübersaß. Aber keiner sagte etwas. "Hergen war heute Morgen schon wieder wach, er wird noch vierzehn Tage hierbleiben müssen. Aber, wenn er dann zu Ihnen will, besteht von ärztlicher Seite kein Einwand. Sie müssen das natürlich mit dem Heimleiter abklären." Jutta fand als erste ihre Sprache wieder: "Können wir zu ihm?" "Ja, aber bitte nicht zu lange." Dr. Scheller erhob sich.

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Vor der weißen Krankenzimmertür mit der Nummer 132 standen zwei Herren im Gespräch mit der Oberschwester. "Aah, Dr. Scheller." Sichtlich erleichtert wandte sich die Schwester an ihren Chef. "Die beiden Herren sind von der Kriminalpolizei. Sie wollen den jungen Mann verhören. Geht das überhaupt schon?" Dr. Scheller runzelte leicht die Stirn. "Eigentlich ist er noch sehr erholungsbedürftig. Aber zehn Minuten wird er ihre Fragen schon beantworten können. Vielleicht fangen Sie aber auch zunächst einmal mit diesen Herrschaften hier an." Er machte eine kurze Geste in Richtung Alex und Juttas. "Sie haben den Jungen gestern gefunden. Sonst wäre er nicht hier, sondern im Leichenschauhaus."

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Nein, Hergen sagte nicht aus. Teils aus Angst, teils aus falsch verstandenem Gruppensinn. Er behauptete, sich nicht erinnern zu können. Aber Walter haute sich gewissermaßen selber in die Pfanne. Durch einen Betreuer der Wohngemeinschaft erfuhr er, dass Hergen schwer verletzt im Krankenhaus lag und um ein Haar gestorben war. Zweimal wich er der Polizei, die ihn zu dem Fall verhören wollte, aus. Bei dritten Mal stellte er sich ganz bewusst und tischte eine inzwischen zurechtgelegte Geschichte auf. Zuerst leugnete er Hergens spätabendlichen Anruf in der WG total. Später behauptete er, er habe Hergen bei seinem Anruf höflich gebeten, doch nach Hause zu kommen, da er sich Sorgen mache. Allmählich kristallisierte sich aber, trotz der vielen Widersprüche, die Wahrheit heraus. Walter war außer sich vor Zorn, dass Hergen es gewagt hatte, seine Anordnungen, die er stets als Befehle an Untergebene empfand, zu ignorieren. Als Hergen spätabends anrief, eigentlich nur, um seinen Betreuer zu informieren, war zufällig Walter am Telefon. Hergen erzählte ihm halb und halb die Story des Abends. Versprach aber, auf Walters Drängen hin, am nächsten Morgen wieder in die WG zurückzukehren. Als Hergen gegen Mittag des Folgetages noch nicht auftauchte, rief Walter von einer Telefonzelle in der Wendtlandschen Wohnung an. Er bedrohte Walter massiv und setzte ihn außerdem mit der Bemerkung unter Druck, nicht nur ihn, Hergen, sondern auch seinen Wohltäter Alexander "kaltzumachen". Erst als Walter androhte, gleich hochzukommen und die Tür einzutreten und als erstes "die dämlich Katzentöle" abzustechen, willigte Hergen ein, sich kurz mit ihm zu treffen. Wohlweislich hatte er die Wohnungsschlüssel nicht mitgenommen. Als Walter merkte, dass er bei Hergen auf Granit biss und dieser auch kategorisch ablehnte, gemeinsam mit ihm die Wohnung Alexanders auszuräumen, rastete Walter völlig aus. Er schlug ihm zunächst mit einem zufällig am Boden liegenden dicken Knüppel auf den Kopf. Dann prügelte er weiter auf ihn ein. Der Milzriss stammte offensichtlich von Fußtritten, mit denen Walter den bereits wehr- und bewusstlos am Boden liegenden Jungen traktierte. Danach ging er, ohne auch nur noch einen Gedanken an Hergen zu verschwenden. Die Gasse war dunkel und insgeheim glaubte er, dass es bei den herrschenden Temperaturen am nächsten Morgen keinen Hergen und damit auch keinen Zeugen mehr geben werde. Der Richter erließ Haftbefehl. Dieses Mal würde Walter nicht mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Es nutzte ihm auch nichts, dass er behauptete, er wäre zuerst von Hergen angegriffen worden. Der Prügel war in einem Mülleimer einen Block weiter gefunden worden und wies neben Partikeln von Hergens Blut eindeutig die Fingerabdrücke von Walter auf. Außerdem sprachen die beiden Vorstrafen wegen erpresserischem Raub, damals war er noch minderjährig und später wegen gefährlicher Körperverletzung, ebenfalls gegen Walter.

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Es war Heiligabend. Hergen war vor zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Das Jugendamt hatte nach Prüfung nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass Hergen bis auf weiteres bei Alexander wohnen wollte. Hergen lag, immer noch etwas angeschlagen, im Wohnzimmer auf der Couch und sah Alexander und Jutta zu, die gerade dabei waren, eine sehr hübsche mittelgroße Blaufichte, mit Ballen, zu schmücken. Jutta redete dabei ununterbrochen. Alexander war eher still. Er dachte daran, dass es für ihn eigentlich nur zweimal in seinem Leben einen Weihnachtsbaum gegeben hatte. Seine Mutter hatte von dem "Firlefanz" nichts gehalten. Ihm war unsagbar weihnachtlich und froh zumute. Auch Jutta war glücklich. Am zweiten Weihnachtstag wollten sie und Alexander gemeinsam ihre Mutter besuchen. Hergen hatte sich erboten, dieses Mal daheim zu bleiben und die Katze zu versorgen. Ja, die Katze. Die Katze saß malerisch auf einem der Sessel und sah dem fröhlichen Treiben ebenfalls zu. Sie hatte sich gut erholt. Hatte zugenommen und glänzendes Fell bekommen. Der Tierarzt hatte keine Krankheit feststellen können und alle erforderlichen Impfungen hatte sie auch inzwischen. Die Augen der Katze waren unergründlich und strahlten tiefe Befriedigung aus. Man hätte in diesen Blick den Ausspruch: "Das habe ich wirklich gut gemacht." hineininterpretieren können. "Sag' mal, Hergen, wie hieß deine Katze eigentlich, ich meine die von damals?" wandte Alex sich fragend an Hergen. "Meine Katze, ach die hatte einen ganz gewöhnlichen Namen, Susi hieß sie." Im selben Moment, als der Name Susi fiel, flog der Kopf der Katze ruckartig herum. Steifbeinig erhob sie sich und wählte dann den Weg über den Tisch. Einen Augenblick lang verhielt sie vor dem Adventskranz. Die vier brennenden Kerzen hinter ihr ließen ihr dichtes Fell durchscheinend wirken und umgaben die gesamte Katze mit einer leuchtenden Korona. Einen Moment lang wirkte sie fast überirdisch. Dann setzte sie ihren Weg fort, zielbewusst, zu Hergen, drängte sich in seine Armbeuge und rollte sich zusammen. Sie schloss ihre faszinierenden, fluoreszierenden Augen und fiel scheinbar ohne Übergang in einen tiefen, zufriedenen Schlaf. Sie war heimgekehrt. ENDE

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Epilog: Ja, zu Ende wieder einmal, ihr gut erzogenen Dosinen und Dosis der Superklasse. Ich hoffe, meine diesjährige Weihnachtsgeschichte hat euch gefallen. Bis Weihnachten werden wir ja sicher noch voneinander hören. Deshalb spare ich mir die guten Wünsche noch ein wenig auf. Schöne Adventszeit wünscht euch allen und vor allem euren Katzis

Fiedje, Revierkater und Bundeskatzler

Zuletzt geändert am 11.10.2008 23:24                Zurück zur Hauptnavigation

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