Julchen und die Kindgöttin
Widmung
Diese Geschichte ist der mit sechs Monaten überfahrenen Katze von Sibylle
Rost, Julchen, gewidmet. Der Abschiedsbrief an Julchen wurde am 11. Oktober
2000 von Sibylle Rost in die deutschsprachige Katzennewsgroup gepostet.
Julchen und die Kindgöttin
Graues Nichts umgab sie. Die Seele der kleinen Katze Julchen schwebte in
diesem Nichts wie in Wasser, ohne Kontakt zu einem Boden zu haben. Julchen
wußte weder wo sie war, noch wie sie hierher gekommen war. Ihre letzte Erinnerung
war, daß sie noch ein wenig spielen wollte, und deshalb nicht mit ihrer
Dosi Sibylle in die Wohnung gegangen war. Ob ihre Dosi hier auch irgendwo
war?, fragte sie sich. Aber instinktiv kannte sie die Antwort darauf, daß
dem nicht so sein konnte.
Dann entdeckte sie ein strahlendes Licht. Neugierig, wie kleine Katzen nun
einmal sind, wollte sie sich das Licht genauer ansehen. Aber dazu mußte
sie erst einmal dort hin gelangen. Sie begann zu laufen. Und es funktionierte
tatsächlich: Sie bewegte sich vorwärts. Julchen bemerkte den Regenbogen
nicht, der hinter ihr entstand. Sie lief dem Licht entgegen. Nur langsam
kam sie ihm näher.
Plötzlich veränderte sich die Umgebung. Hatte sie eben noch im grauen Nichts
geschwebt, stand sie jetzt auf einem Friedhof. Es war Nacht, außerdem bitter
kalt. Die Luft roch seltsam nach Tod und Verwesung. Eine Kirche stand in
der Nähe. Aus ihr kamen Geräusche, die ihr Entsetzen einflößten, sodaß sich
ihre Haare aufstellten.
Die Kirche sah seltsam aus: Sie schien mehr Winkel zu haben, als natürlich
war. Überall waren deformierte Schatten zu sehen und die Fensterbilder zeigten
keine Heiligen, sondern Wesen, die so unvorstellbar grausam und deformiert
aussahen, daß sie Julchen Übelkeit verursachten. Entsetzliche Laute drangen
aus der unheimlichen Kirche heraus. Qualvolle Schreie und grausames Gelächter.
Zögernd näherte sich die kleine Katzenseele der Kirche. Der Eingang stand
etwas offen, sodaß sie hinein sehen konnte. Und was sie dort sah, ließ sie
vor Entsetzen erstarren.
Riesige Kreaturen, aus deren Rücken Tentakeln purer Schwärze ragten, folterten
Menschen, Tiere und Wesen, wie sie Julchen noch nie gesehen hatte und die
nicht von der Erde stammen konnten. Doch dies war es nicht, was ihren Blick
anzog, sondern die riesige Gestalt, die am Altar stand, auf dem ein Mädchen
lag, das die Merkmale aller drei Menschenrassen trug.
Die Kreatur konnte nur der höchste Gott des Bösen selbst sein: Satan, der
Herr der Hölle. Satan lachte grausam auf das Mädchen, das etwa fünf Jahre
alt zu sein schien, herab. "So bist du denn meine Gefangene, Tinka'Ylaral.
Nun kann mich nichts mehr aufhalten, die anderen Ebenen zu erobern. Und
mit den Sterblichen werde ich beginnen." Er lachte höhnisch. "Sieh,
Göttin", sprach er spöttisch. "Sieh meine Heerscharen, wie sie
sich bereit machen, die jämmerlichen Menschen zu versklaven." Wie gegen
ihren Willen blickte die Kindgöttin Tinka'Ylaral zu einem großen Spiegel.
Auch Julchen sah hinein.
Eine gigantische Armee von Skeletten, verrotteten Leichnamen und Monstern,
wie sie Julchen sich niemals zu träumen gewagt hatte, rottete sich vor einem
Tor zusammen. "Und bald ist es soweit", freute sich Satan. "Ich
werde dafür sorgen, daß die Rechtschaffenen vor meiner Armee der Finsternis
erzittern und fallen. Sobald die Höllenpforte offen ist werde ich die Menschheit
mit nie gekannten Schrecken heimsuchen. Feuersbrünste sollen die Wälder
vernichten, Orkane und Tornados sollen das Land zerstören. Das Meer wird
zu Säure werden und die Küstenstädte zu glibbrigem Schlamm zerätzen. Blut
wird vom Himmel regnen und die Schöpfung selbst wird vor mir erzittern."
Die Kindgöttin weinte und Satan lachte sie für ihr Mitgefühl und ihre Angst
aus. Einer der Dämonen drehte sich um und sah Julchen. Mit unheimlicher
Schnelligkeit kam er auf sie zu. Er streckte seine Tentakeln aus Schwärze
nach ihr aus.
Doch bevor er sie erreicht hatte, packte sie jemand. Julchen wehrte sich
verzweifelt, kam aber nicht frei. "Laß das verdammt", sprach ihr
Kidnapper. Die Katzenseele konnte ihren Entführer oder vielleicht Retter
nicht sehen. Nur seine Schuhe, die Flügel besaßen. Tatsächlich berührte
der Junge, wie sie vermutete, nicht einmal den Boden.
Sie liefen auf einen Schimmel zu. Das Pferd kam ihr seltsam vor, und schließlich
bemerkte sie, daß es acht Beine hatte. Der Junge sprang mit ihr auf dieses
seltsame Pferd. "Lauf, Sleipnir! Lauf um unser Leben!" Und das
tat es. Mit einer Geschwindigkeit, die schier unmöglich zu sein schien,
rannte das Pferd los. Julchen konnte einen Blick nach hinten werfen und
sah, daß sie von vier Dämonen verfolgt wurden. Mit einem Mal war wieder
die graue Leere um sie herum. Die Dämonen waren ihnen immer noch auf den
Fersen. Sie schienen etwas zu zögern, setzten ihre Verfolgung aber mit Entschlossenheit
fort. Sie holten auf, aber sie schafften es nicht mehr sie einzuholen.
Vor ihnen tauchten aus dem Nichts andere Wesen auf. Sie waren mit farbigen
Energieflügeln beflügelt. Die meisten der Wesen waren Kinder von einem bis
vierzehn Jahren, aber auch einige Tiere waren darunter, wie eine mit grünen
Energieflügeln beschwingte Katze. Julchen hörte die Dämonen enttäuscht aufschreien
und sah, wie sie flohen. Der Übergang fand wieder von einem Moment zum anderen
statt.
Doch diesmal befand sie sich in einem wunderschönen Land: Die Sonne schien
vom Himmel, der nicht einfallslos blau war, sondern in bunten Farben erstrahlte
und teilweise fröhliche Muster enthielt. Die Luft war warm und roch nach
Sommer. Julchen sah überall Kinder und Jugendliche, die mit Tieren oder
zusammen spielten. Sleipnir brachte sie zu einem Jungen, der auf sie gewartet
zu haben schien. Er lächelte sie an, sah ihnen aber auch mit Sorge in den
Augen entgegen.
Das schnelle Pferd kam zum Stehen. "Da ist ja unsere Ausreißerin",
sagte das Kind, das etwa acht Jahre alt zu sein schien. "Danke, daß
du sie zurück gebracht hast, Hermes." "Kleinlichkeit", winkte
der Junge, der sie gerettet hatte, bescheiden ab. "Aber ich habe heraus
gefunden, wo unsere Schwester ist. Oder genauer gesagt, die kleine Julchen
hat dies für uns getan." "Ach ja."Der Junge, zu dem Hermes
sprach, runzelte die Stirn. "Berichte, was hast du gesehen?" "Eigentlich
nur, daß Satan Tinka'Ylaral in seiner Kathedrale des Hasses gefangen hält.
Ich schlage vor, wir stürmen sie und befreien sie aus seinen Klauen, Christus."
"Wir sollten lieber nichts überstürzen, Hermes. Irgendetwas hat Satan
vor, das spüre ich. Ich werde mich mit meinen Eltern beraten müssen."
"Vielleicht kann ich Euch helfen, Herr", meinte Julchen schüchtern.
Der Gott Christus blickte die Katzenseele liebevoll an. "Ja? Was hast
du denn gesehen und gehört, kleine Jule?" Julchen berichtete den Göttern,
von ihren bisherigen Erlebnissen in dieser seltsamen Welt. "Ach, du
meine Güte!" rief Christus erschrocken. "Das wir daran nicht gedacht
haben!" Auch Hermes wirkte schockiert. Er fluchte ungeniert. Die Flüche
klangen aus seinem Kindermund irgendwie unpassend, fand Julchen. Christus
bemerkte ihre Verwirrung. "Dein Bericht hilft uns sehr, liebe Jule.
Vor ein paar Zeiteinheiten verschwand unsere Schwestergöttin Tinka'Ylaral
spurlos. Zuerst dachten wir, sie wolle uns wieder einen ihrer Streiche spielen,
aber offensichtlich ist dem nicht so. Unsere Schwester hat in diesen Tagen
eine ungeheure Macht.
In wenigen Zeiteinheiten rücken die Existenzebenen, die die Sterblichen,
die Seelen und die Götter voneinander trennen, zusammen und überschneiden
sich sogar. Tinka'Ylaral ist auserwählt worden, sich in der Welt der Sterblichen
zu inkarnieren, um ihnen wieder Frieden zu bringen. Doch wenn statt ihr
Satan die Ebenen der Sterblichen betritt, kann er uns alle vernichten."
Schockiert von dieser Nachricht sah Julchen das Christuskind mit großen
Augen an. Christus wandte sich an Hermes. "Ich werde jetzt den guten
Göttern Bescheid geben und die Engel und unsere Fiijaja mobilisieren. Vielleicht
schaffen wir es noch, Satan aufzuhalten. Kümmere du dich bitte um Julchen.
Sie hat einen Wunsch frei." "In Ordnung."
Christus verschwand von einem Augenblick auf den nächsten. "Bring uns
bitte zum Regenbogen, Sleipnir." Das achtbeinige Pferd zuckte erfreut
mit den Ohren. Es begann los zu traben. Allerdings war Sleipnirs Traben
wie ein Kanter bei einem normalen Pferd, sodaß sie recht schnell voran kamen.
Zwischendurch veränderte sich die Umgebung gelegentlich urplötzlich. Julchen
begriff, daß sie wohl verschiedene Ebenen durchquerten. Dann gebot Hermes,
Sleipnir stehen zu bleiben.
Nachdem sie angehalten waren, wandte sich der Götterbote an sie. "Weißt
du, was mit dir passiert ist?" Nach kurzem Zögern nickte die Katzenseele
mit dem Kopf. "Ich bin gestorben, nicht wahr?" "Ja",
bestätigte er. "Aber dein Tod war nicht vorher gesehen. Du solltest
eigentlich noch einige Jahre in der Welt der Sterblichen bleiben. Aber einige
Schattendämonen treiben sich ständig auf der Erde herum. Solange sich keine
Inkarnation eines guten oder neutralen Gottes in den sterblichen Ebenen
aufhält, können diese Schattendämonen überall existieren. Sie haben für
einige Ereignisse gesorgt, die zu deinem Tod führten." Hermes schnaufte
amüsiert. "Im Prinzip haben die Bösen durch ihre Gier nach Seelen dafür
gesorgt, daß ihre Pläne vereitelt werden können." Er hielt kurz inne.
"Aber das ist im Moment nicht so wichtig. Ich wollte nur sicher stellen,
daß du verstehst, was mit dir passiert ist.
Ich habe nämlich eine Nachricht von deiner Besitzerin von einem unserer
Anhänger unter den Sterblichen erhalten." Nun war Julchen aufgeregt.
Sie blickte Hermes erwartungsvoll an. Dieser machte einige seltsame Gesten,
woraufhin ein durchscheinendes Abbild ihrer Dosi Sibylle erschien.
Die vertraute Stimme ihrer Dosi sprach traurig: "Mein liebes Katzenkind,
da bist du nun weg. Ich weiß nicht ob du Schmerzen gehabt hast, ich weiß
nur, daß es sehr schnell ging und ich hoffe, Du hast gespürt, daß der fremde
Mann dich noch gestreichelt hat und Du nicht alleine warst, als Du gingst.
Eigentlich könnte ich dich schimpfen, warum nur bist du wieder rausgerannt,
du oller Sturkopf. Klar, du könntest mich auch schimpfen und sagen: Du doofe
Katzenmama warum hast du mich rausgelassen, warum hast du dich grad so doof
umgedreht als ich schon fast drin war, warum hast du mich nicht gefangen?
Aber ich glaub' das ändert jetzt auch nix mehr.
Eigentlich wollte ich nur kurz festhalten wie gern wir dich gehabt haben
und wie sehr du uns schon fehlst. Ich wurde heute morgen nicht von dir geweckt,
keiner hat sich gestern ins Bett gelegt und dann wollte auch keiner heute
morgen raus. Es ist ganz schön still hier ohne dich. Es tut mir wirklich
so leid, daß du nicht älter als 6 Monate werden konntest, und daß du so
viele aufregende Sachen noch nicht erleben konntest. Immerhin hast du am
Abend vor deinem Tod noch deine erste Maus gefangen. So stolz bist du gewesen
und ich mit dir. Einige Stunden vor deinem Unfall hast du mich noch verfolgt;
wie ein Hund bist du von der Wohnung hinter mir her in den Wäschekeller
gefolgt um dich dann dort lautstark vor der offenen Tür zu beschweren, daß
ich da drin verschwunden bin. Najaa, auf mein Rufen hast du mich ja dann
gefunden und die erste (und einzige) Begegnung mit einer rotierenden Waschmaschine
gemacht. Komisch so'n Ding, hmm?
Ach, Kleine, ich seh' dich immer noch vor mir wie du in deinen Kartons 'rum
wühlst und deine Mäuse da rein schmeißt. Ich sehe, wie du dir deine eine
Maus schnappst und damit mit Karacho auf den Drehstuhl springst, um sie
dann runterzuschmeißen und hinterher zu fetzen. Wie du überhaupt in letzter
Zeit immer auf meinen Stuhl gesprungen bist und es dich nicht zu stören
schien, wenn er nach dem Aufkommen noch einen auf Karussell machte.
Kannst Du mir mal verraten was ich mit den 40 l Katzenstreu machen soll,
wer jetzt dein Futter aufißt und wem ich die elendigen Haare aus dem Fell
putzen soll? Wer weckt mich jetzt morgens wenn der Wecker geklingelt hat,
wer kuckt, ob ich auch ordentlich auf die Toilette gehe und macht nach mir
die Dusche sauber? Okay, meine Palme ist vielleicht ganz froh nicht mehr
besprungen zu werden, aber die hat eh nix zu melden.
Süße es tut mir so leid, daß ich nicht besser auf Dich aufgepaßt hab. Dein
Katzenpapa hat aber gesagt es war trotz allem richtig, daß du raus konntest;
er hat mir gestern noch erzählt wie er dich beobachtet hat, als du morgens
die 'bösen' Blätter gefangen hast. Er sagt, du warst so glücklich und wir
hätten dir in den Monaten, die wir mit dir hatten, viel Spaß ermöglicht.
Wir haben dich übrigens in deinem Lieblingskarton begraben, hast du das
gemerkt? Ich seh' immer deine Augen vor mir, wie du mich angestarrt hast,
wenn du versucht hast, dich durchzusetzen, wie du geguckt hast, wenn du
mir deinen Bauch zum Streicheln entgegen recktest, wie traurig du geguckt
hast, wenn wir dich nicht rauslassen wollten. Ehrlich, ich hab übrigens
noch nie eine Katze gesehen, die sich sooo lang machen konnte, wie du, wenn
sie gestreichelt werden wollte.
Was ich noch fragen wollte, was hast du eigentlich im Küchenschrank gemacht?
Ich hab gestern mittag die rausgeschmissenen Gläser mit Eingemachtem auf
dem Boden gefunden. Da war doch gar nix drin was du magst, oder? Ich hab
übrigens ganz viel Post gekriegt von Leuten, die auch alle traurig sind,
daß du gegangen bist, bist schon fast 'ne bekannte Katze.
Du dumme kleine Katze, warum bist du nur gerade in dem Moment über die Straße
gelaufen? Nach der Beschreibung des Mannes, der bei dir war, wolltest du
wohl nach Hause. Hättest du nicht warten können? Ach, das Wäre-Wenn-Spiel
hat ja auch keinen Sinn. Nico und ich wollten dir ja auch nur sagen, daß
du die beste Katze warst, daß du uns so oft zum Lachen gebracht hast und
uns oft nicht einfiel wie wir den Überschwank an Gefühlen für dich ausdrücken
sollten.
Najaa, ein bißchen hast du es ja gesehen an dem Sortiment an Leckerlies
und Spielzeug :) Es gibt ja Leute, die sagen, wir hätten dich verwöhnt,
aber das bestreiten wir. Immerhin gab es auch Sachen die du nicht durftest.
Erinnerst du dich wie Nico dich vom Küchentisch gefegt hat? Und beim Schmusen
hat so 'ne kleine Katze ja auch nix verloren.
Apropos klein, ich hab deinem Begleiter für die letzte Reise gestern noch
erzählt, wie alt du warst und er dachte du seist älter gewesen. Siehste,
hatte ich doch nicht recht, wenn ich immer gesagt hab', du seist noch so
klein. Vielleicht triffst du ja Moritz da oben, weißt du, das war mein alter
Kater. Mein Bruder hat gesagt, du hast dich bestimmt in den verliebt und
wolltest zu ihm, und ihr spielt da oben jetzt auf 'ner schönen Wiese.Tut
ihr das?
Schade, daß du dich von da, wo du bist, nicht melden kannst. Aber Nico war
ja immer überzeugt, daß du 'ne angeborene Lese- Rechtschreibschwäche hast.
Der Doofe, der hat auch immer Jule- Pule zu dir gesagt. So meine Kleine,
ich glaub langsam wird's zu lang und ich wünsch dir, daß es da, wo du bist,
schön ist. Ich kraul dir im Gedanken noch mal dein superflauschiges Bauchfell
und reib meine Nase rein.
Du fehlst mir ganz schrecklich hier."
Das Abbild ihrer Dosi verschwand, aber Julchens Blick war so sehr mit Tränen
verschleiert, daß sie es gar nicht bemerkte. Stillschweigend bedeutete der
Kindgott Sleipnir, weiter zu gehen. "Wo kann ich Moritz finden?"
fragte sie einige Minuten später. "Er erwartet dich beim Regenbogen.
Dort halten sich die meisten ehemaligen Haustiere auf, weil Neuankömmlinge
über die Regenbogenbrücke kommen. Viele warten auf ihre ehemaligen Besitzer,
um mit ihnen gemeinsam in die höheren Ebenen zu wandern." "Das
ist nett", meinte Julchen lakonisch. "Kann ich dir irgendwie helfen?"
fragte Hermes sanft. Julchen überlegte. "Es wäre schön, wenn meine
Dosi neue Katzen aufnehmen würde. Mir hat es bei ihr immer so sehr gefallen.
Aber nicht jede Katze hat soviel Glück." "Das ist bereits in die
Wege geleitet worden. Etwas anderes vielleicht?" "Ist es möglich...
Ich meine, es wäre doch nicht gut, wenn die neuen Katzen auch wieder überfahren
würden, oder?" Hermes überlegte. "Wir könnten sie von unseren
Fiijaja bewachen lassen. Es verstößt zwar gegen die Regeln, aber wenn ich
diese Bitte an Basthet weiterleite, könnte sie vielleicht etwas arrangieren."
Jede Katze kannte natürlich die Katzengöttin Basthet. Das Ende ihrer Reise
näherte sich. Vor ihnen ragte ein gewaltiger, schimmernder Regenbogen auf.
Julchen konnte viele Wesen sehen, die auf ihm herunter rutschten und von
ihren Haustieren begrüßt wurden. "So", sagte Hermes und Sleipnir
hielt an, "da wären wir." Er stieg ab und setzte sie auf den Boden.
"Vielen Dank, Gott Hermes." "War mir ein Vergnügen, kleine
Jule." Der Kindgott lächelte und verbeugte sich. Dann waren er und
Sleipnir verschwunden.
"Hallo", maunzte jemand sie an. "Bist du Julchen?" Die
Katze drehte sich um. Hinter ihr stand ein stattlicher Kater. Er gefiel
ihr auf den ersten Blick. "Ja, die bin ich", antwortete sie. Sie
musterten einander interessiert. Ein Schmetterling flog an ihnen vorbei.
Sie tauschten ein kurzen Blick aus und begannen, zur gleichen Zeit, hinter
dem bunten Schmetterling her zu jagen.
Es vergingen einige Zeiteinheiten. Julchen und Moritz schlummerten dicht
aneinander gekuschelt in der Mittagssonne. Ein Schatten fiel auf sie und
Julchen öffnete verschlafen die Augen. Die Kindgöttin Tinka'Ylaral stand
vor ihr und sah freundlich lächelnd auf sie herab. "Du bist Julchen,
nicht wahr?" "Ja", antwortete sie respektvoll. "Ich
bereite mich gerade auf meine Inkarnation auf Erden vor. Es ist Sitte bei
uns, daß ausgewählte Seelen und Götter dies bezeugen. Würdest du meine Zeugin
für das Regenbogenland sein?" "Es wäre mir eine Ehre, Göttin."
"Oh, wie schön!"freute sich Tinka'Ylaral.
Spontan nahm sie die Katze auf den Arm und küßte sie. Sie setzte die Katzenseele
wieder ab, aber in dieser kurzen Zeit waren sie an einen anderen Ort gereist.
Sie wußte nicht, wo sie sich befand, spürte aber, daß sie auf der Erde war.
Auch andere Seelen waren anwesend: Ein großer weißer Bär, eine Wölfin mit
ihren Jungen, Sleipnir, der Gott der Pferde und noch viele andere Wesen,
die sie nicht beschreiben konnte, weil sie bereits ausgestorben waren oder
niemals auf der Erde existiert hatten. Jemand lief durch sie hindurch. Es
war ein lustiges Gefühl, das sie dabei hatte.
Sie sah sich um und entdeckte eine afrikanische Frau, die auf einer Liege
lag. Sie war hochschwanger und bekam offensichtlich gerade ein Kind. "Das
Köpfchen ist schon zu sehen", rief die Hebamme. "Du schaffst es,
Liebling. Gleich hast du es hinter dir." Der Mann, der dies sagte -
ein Asiate -, hielt seiner Frau die Hand und sprach ihr Mut zu. Dann stieß
die Frau ein erleichtertes Seufzen aus. "Es ist ein Mädchen!"
rief die Hebamme. Mit zitternden Händen durchschnitt der Vater die Nabelschnur.
Das Baby begann zu schreien, aber es hörte sich eher nach einem Freudenschrei
an. Neben Julchen stand ein kleines Mädchen mit einer Trommel. Sie begann,
sie zu spielen und sang dazu:
Come they told me parampampampaam,
A new born queen to see parampampampaam,
Our finest gifts we bring parampampampaam,
To lay befor the queen parampampampaam,
So to honor her parampampampaam,
When we come.
Baby Tinka parampampampaam,
I am a poor girl too parampampampaam,
I leave nothing to queen parampampampaam,
Nothing to give our queen parampampampaam,
Shall I ply for you parampampampaam,
On my drum.
Lorny nodded parampampampaam,
The wolf and cat kept time parampampampaam,
I played my drum for her parampampampaam,
Then she smiled at me parampampampaam,
Me and my drum.
Geschrieben von Sven
Schröder Oktober 2000