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Die Geschichte von Jinny und Guinnes

"Das ist der erste Geburtstag ohne Brauni" - kein Zweifel, meine Frau hat ein sicheres Händchen fürs Stimmungsvolle. Es war mein Geburtstag und ein halbes Jahr zuvor war - knapp nach ihrem Geburtstag - unser Kater Brauni verstorben. Das es nochmal Katzentiere im Haus geben sollte, war klar. Aber erst, nachdem wir die Unabhängigkeit genossen hatten und rumgereist waren. Wenn man einen Kater wie Brauni hatte, dazu einen Catsitter mit Katzenallergie, ist Reisen etwas schwierig. Gut. Reise hatten wir, an jenem Geburtstag waren wir gerade zwei Tage aus Rom zurück. Tolle Stadt übrigens, mit sehr vielen Katzen. Jener eingangs zitierte Satz fiel irgendwann zwischen zweitem Brötchen und drittem Kaffee beim rituellen Geburtstagsfrühstück im Bett.

In diesem Moment waren uns zwei Dinge sofort klar. Erstens nahm mein Geburtstag eine unheimliche Wendung weg von "Gammeltag auf der Couch" und zweitens war die katzenlose Zeit vorbei. Nicht, dass uns das wirklich überrascht hätte, wir hatten schon in der Zeit vor unserem Rom-Urlaub die Websites aller Tierheime im Umkreis von 70km genauestens durchforstet. Für uns kommen nur Tierheimkatzen in Frage, weil die dringend Hilfe brauchen. Diesmal sollten es zwei sein. Vorzugsweise ein Paar, das nur zusammen vermittelt werden soll. Freigänger sind bevorzugt, da wir einen kleinen Garten haben, in dem sie rumstromern können. Zuerst fuhren wir ins Tierheim Düsseldorf, unserer Heimatstadt, und schauten uns da um. Irgendwie gab es da nichts passendes für uns. Aber da gab es ja ein Pärchen auf der Webseite des Tierheims Aachen, zwei süsse Katerchen namens Mino und Sandor. Freigänger, nur zusammen abzugeben. "Europäisch Kurzhaar", die vornehme Umschreibung für "alles was keine Rasse hat". Passt. Wir am nächsten Tag ins Auto, auf nach Aachen - nach dem Flop im Düsseldorfer Tierheim bestand ich doch noch auf meinem Geburtstag. In Aachen angekommen, führte uns eine freundliche Mitarbeiterin zu Mino und Sandor, die sich mittlerweile aber laut Mitarbeiterin gar nicht mehr so gut verstanden und daher auch besser nicht zusammen abzugeben wären. Aber sie hätte da noch zwei zur Vermittlung, die auf unsere Anfrage passen würden. Eine Katze und ein Kater namens Jinny und Guinnes (ja ich weiss, Guinnes wird Guinness geschrieben, wenn es ums englische Bier geht, aber in den Papieren steht nun mal Guinnes ). Guinnes ist ein braun/grau getigerter mit weisser Brust, weissen Pfotenspitzen vorn und weissen Stiefeln hinten. Jinny ist durchgängig braun getigert. Zumindest sagte man uns das. Gesehen hatten wir Jinny während unseres gesamten Besuchs nämlich nicht. Man konnte in eine dunkle Kratzbaum-Höhle greifen und was schnurrendes, felliges streicheln. Zu sehen war nix. Guinnes hingegen lag auf einem alten Sofa unter einer Decke, ließ sich problemlos streicheln und fing nach kurzer Zeit an, mit der Hand zu spielen. Klar waren wir beide sofort hin und weg. Kein Wunder, es waren ja Katzen. Wer Katzenmensch ist, weiss, dass er nicht widerstehen kann. Niemals. Da war noch die Frage mit der Logistik. Es war Donnerstag und eigentlich wollten wir am Wochenende noch weg auf eine andere Geburtstagsfeier und Anderes unternehmen. Also wollten wir die Katzen erst Montag abholen. Wir machten den ersten Schub Papierkram klar und fuhren wieder nach Hause. Zu Hause angekommen, gings uns natürlich schäbig. Klar nehmen wir die beiden Katzen und haben sie lieb, aber bitte erst ab Montag. Wie herzlos. Und Jinny hatte Angst vor den anderen Katzen in ihrem Gehege, nur den Guinnes liebt sie. Gemeine Menschen waren wir, die noch bis Montag schmoren zu lassen. Es kam, wie es kommen musste. Freitag Morgen eine kurze Temporunde zum Tierbedarf, dann ab nach Aachen, unsere neuen Familienmitglieder retten. Nachdem der restliche Papierkram erledigt war, wurden die beiden in unsere Riesentransportbox (eigentlich für Hunde, angeschafft für Brauni, der seinerzeit passende Hunde mit "Na, Kleiner?" anzureden pflegte) gepackt und ins Auto beracht. Das Problem trat auf dem Rückweg ein. Zwei völlig verängstigte Katzentiere kauerten am hinteren Ende der Transportbox und sangen. Sie sangen ungefähr so, wie Pavarotti vollgesoffen in einer Eckkneipe singen würde, wenn man ihm auf den Fuss tritt - "Miiiioooooaaaaauuuu". Zu Hause angekommen, tat sich erstmal gar nichts. Die Transportbox hatten wir im Wohnzimmer offen mitten in den Raum gestellt und ruhig versucht, die beiden rauszulocken. Nach einer Weile gaben wir unsere Versuche auf, setzten uns auf die Couch und die beiden kamen langsam aus der Box raus. Jinny rannte schnell in die Küche und versteckte sich unter einen Servierwagen, Guinnes rannte ins Schlafzimmer und suchte Sicherheit unter dem Bett. braunes Dreieck, das nach oben zeigtbraunes Dreieck, das nach unten zeigt

Familienzuwachs oder die spannende Frage: "Wer sind die?"

Wer mit Katzen lebt, kennt die fundamentale Wahrheit über diese Tiere:

Alle Katzen haben eine Macke.

Alle. Ausnahmslos. Ich kann nur spekulieren, woran es liegt. Vielleicht wird eines Tages die Biologie den Grund dafür herausfinden. Ich vermute, um die beeindruckende Eleganz und Beweglichkeit, sowie die unvergleichliche Anmut hinzubekommen, musste von Mutter Natur fast die gesamte verfügbare Hirnkapazität der Katze eingesetzt werden. Leider führt das zu "Einsparungen" an anderen Stellen. Daher die Macke. Alle Katzen haben mindestens eine, meistens jedoch mehrere. Irgendwas schräges. Brauni beispielsweise liebte es, im Regal hinter der Couch zu sitzen. Genau hinter mir, auf Kopfhöhe. Und wenn ich es wagte, beispielsweise dem Fernsehprogramm mehr Aufmerksamkeit als ihm zu widmen, tuppte er mich von Hinten mit der Pfote am Hinterkopf. Oder er sprang jedem auf den Schoss. Brauni war ein Schosskater. Jeder, der bei uns zu Besuch war, wurde renitent von Brauni belagert und hatte ihn auf dem Schoss. Wirklich jeder. Wir auch, ständig. Man brauchte sich eigentlich nur hinzusetzen, schon hatte man den Kater auf dem Schoss. Jetzt hatten wir zwei Katzen und wir waren beide gespannt, mit was für schrägen Macken die um die Ecke kommen würden. Nachdem Jinny die Sicherheit des Servierwagens in der Küche gegen einen Platz bei Guinnes unterm Bett eingetauscht hatte, verliefen die ersten Tage recht normal: Die beiden schlichen durch die Wohnung und rannten bei jedem unbekannten Geräusch zurück unters Bett. Rauslocken konnte man beide nur, wenn man im Wohnzimmer mit ihnen spielte. Es wurde viel gespielt. Sehr viel. Um ehrlich zu sein, war spielen das einzige, was man mit den beiden überhaupt machen konnte. Sobald man Schnur, Katzenangel oder Fellbällchen in die Hand nahm, kamen beide angerannt. Versuchte man auch nur einen zu streicheln, waren beide schneller weg, als Schnee in der Sahara. Vor allem Guinnes. Also wurde ausgiebig gespielt. Wenn mal nicht gespielt wurde, wurde die Wohnung inspiziert, und das ausgesprochen gründlich. In den Garten durften die beiden natürlich noch nicht, solange sie ihr neues Zuhause noch nicht eindeutig als solches akzeptiert hatten. Ausserdem war der Garten noch nicht hundertprozentig Katzensicher. Der Garten ist zwar von Mauern umgeben, diese sind aber mit Efeu bewachsen, in dem man prima hochklettern kann. Auch gibt es einen hohen Holzzaun, seinerzeit installiert als jämmerlicher Versuch, Brauni auf den Garten zu beschränken. Ein völliger und recht kostspieliger Fehlschlag, der uns lediglich aufgezeigt hat, dass Katzen an Efeu prima kletten können. Nun, Brauni war als Streuner geboren und ausgesprochen freiheitsliebend. Dagegen wurden Jinny und Guinnes als "reine Wohnungskatzen ohne Bedarf an Freigang" vermittelt. Man hätte seitens des Tierheims auch behaupten können, die Erde sei eine Scheibe - als Irrtum vergleichbaren Ausmaßes. So vergingen eigentlich die ersten Wochen: Spielen und Füttern. Logischerweise liessen die erwarteten Macken nicht lange auf sich warten. Jinny entpuppte sich als vollendete Frau: Immer interessiert an Schmuck. Die Haarbänder meiner Frau waren von besonderem Interesse. Eigentlich werden sie in einem kleinen Körbchen im Badezimmer aufbewahrt. Kein Problem für Jinny. Ab ins Bad, auf den Schrank, ein Haarband aus dem Korb gepfotelt und dann in der Schnauze quer durch die Wohnung getragen, um es irgendwo ab zu legen. Wo, hat sie schnell vergessen. Macht ja nix, gibt ja viele Haarbänder. Ausserdem widmete sie sich auf interessante Weise der Fellpflege: An jeder Haarbürste wurde vehement rumgeschmust. Während Jinny die Wohnung Zimmer für Zimmer mit Haarbändern dekorierte, entpuppte sich Guinnes' Macke als erheblich schrulliger. Er liebt es, zu scharren. Allerdings nur dort, wo recht wenig Erfolg zu erwarten ist - im Waschbecken, in der Badewanne und auf dem Kachelfussboden im Flur. Überhaupt wurden Waschbecken als ausgesprochen beliebte Liegeplätze entdeckt. Von besonderem Interesse für beide sind auch unsere Besuche auf dem Klo. Während Jinny einen auf dem Lokus hockenden Menschen als "kuschelbereit" erkennt und sofort angerannt kommt, um gestreichelt zu werden, findet Guinnes das Klo erheblich interessanter. Er muss grundsätzlich überprüfen, was man im Klo hinterlässt und vor allem, was die Wasserspülung macht. Fliessendes Wasser übt auf die beiden eine fast magische Anziehung aus. Wenn man einen Wasserhahn ein bisschen aufdreht, hat man den beiden eine Unterhaltungsmöglichkeit für Stunden geschaffen. Und pitschnasse Katzen. Die liebenswerteste und ausgeprägteste Macke von Guinnes ist allerdings sein Bedürfnis "unter" alles Mögliche zu gelangen. Unter Decken, unter Fussmatten, unter den Teppich oder unter Kissen auf der Couch. Ständig versucht er, irgendwo reinzukriechen oder drunterzukommen. Das Katzen verspielt sind, ist jedem Katzenmenschen klar. Bei Guinnes ist dies aber Lebensinhalt. Er ist ständig auf der Suche nach einem Spiel. Bieten sich nicht sofort irgendwelche Spielmöglichkeiten, wird lautstark rumgenörgelt und wie von der Tarantel gestochen durch die Wohnung gerannt. Schafft das auch keine Abhilfe, wird Jinny angerackert. Die beiden käbbeln sich oft und ausgiebig, aber immer freundlich und liebevoll. Zumindest das ist etwas, was wir uns von zwei Katzen erwartet hatten. Der Rest? Fehlanzeige. Kuscheln? Naja, gelegentlich. Auf den Schoss? Niemals. Streicheln? Ein bisschen. Manchmal. Aber nur kurz. Als ausgesprochen spannend hat sich mein Arbeitszimmer rausgestellt. Als freiberuflicher IT-Journalist und Programmierer, verbringe ich den gesamten Tag in meinem Arbeitszimmer und die Katzen haben in der Zeit Zugang. Über Nacht ist das Arbeitszimmer zu, vornehmlich weil Guinnes' unbändiger Spieltrieb absolut inkompatibel zu dutzenden Computern und kilometerlangen Kabelbäumen ist. Als Brauni noch lebte, waren laufende und brummende Rechner sein Lieblingsschlafplatz. Vermisste man den Kater, wurde man üblicherweise bei einem kurzen Blick in einen Rechnerschrank fündig. Oder er lag auf meinem Bürosessel. Da wir nicht wussten, ob die beiden Neuzugänge an Kabeln knabbern würden, blieb die Tür zu, wenn ich nicht im Arbeitszimmer saß. Beide durchforsten das Arbeitszimmer täglich, wobei Jinny sich gerne mal zwischen mich und die Tastatur legt, um gefälligst sofort gestreichelt zu werden. Guinnes dagegen legt sich auf die Lehne des Bürosessels und erwartet, dass ich mit ihm spiele. Komme ich dieser Aufforderung nicht umgehend nach, werde ich solange gebissen und gekratzt, bis er seinen Willen bekommt. Ansonsten lässt sich auf Tastaturen, Kleinteilen und Kabeln offensichtlich hervorragend schlafen. So verging die Anfangszeit ausschliesslich mit spielen und fressen. Fressen entpuppte sich schnell als Jinnys grosse Leidenschaft. Während Guinnes Fressen als notwendiges Übel zwischen zwei Spielen auffasst, bekam Jinny eigentlich nie genug Futter. Ihre Feuchtfutterportion - genausogross wie Guinnes' - war in ihren Augen immer unfair wenig. Sie schlang Ihren Anteil runter, ging zum langsam fressenden Guinnes, vertrieb ihn von seinem Schälchen und frass seinen Rest. War er mal genauso schnell wie Jinny, so musste sie zumindest alle verbleibenden Futtermoleküle aus seinem Schälchen lecken. Mittlerweile hat sich das zwar ein bisschen gelegt - man kann Trockenfutter auffüllen, ohne das sich Jinny sofort und entgültig drüber hermacht - aber beim Feuchtfutter zweimal am Tag muss man dabeibleiben, um Jinny davon abzuhalten, Guinnes zu verjagen. braunes Dreieck, das nach oben zeigtbraunes Dreieck, das nach unten zeigt

Der Garten oder das Märchen von den Wohnungskatzen.

Nach den ersten zwei Monaten war klar, dass die beiden ihr neues Zuhause als das ihre akzeptiert hatten - es wurde Zeit, den Garten abzusichern und den Freigang zu wagen. Aufgrund der Erfahrungen mit Brauni wurden die Sicherheitsmassnahmen perfektioniert. Zumindest glaubten wir das. Die Mauerkronen sowie der Zaun wurden um einen nach innen gewinkelten Kaninchenzaun verstärkt, was die beiden davon abhalten sollte, aus dem Garten zu entkommen. Klappte auch ganz prima, zumindest eine Zeit lang. Dann wurde die Sicherheit Opfer eines zu nah an einer Mauer stehenden Bäumchens. Auf der Terrasse sitzend, wurden wir Zeugen, wie Jinny behende den Baum hochkletterte, auf die angrenzende Mauer sprang, sich dort hinsetzte, uns anguckte und Applaus unsererseits erwartete. Gut. Eine Säge später war das Baumproblem erledigt. Dann schaffte ein paar Wochen später Guinnes das scheinbar Unmögliche: Er fand eine Schwäche im Kanichenzaun. Es war freitags Nachts, ungefähr ein Uhr. Wir hörten auf der Couch sitzend ein jämmerliches Miauen. Die umgehende Überprüfung ergab, dass Guinnes es offensichtlich über den Zaun ins Nachbargrundstück geschafft hatte, dort auf einen Baum geklettert war und nicht wieder runterkam. Soviel zum Thema geschickte Katzentiere. Das angrenzende Grundstück gehört zu einer Tanzschule. Ich machte mich auf die Socken, hoffte, dass der Laden noch geöffnet hatte, damit ich in deren Garten kommen könnte, um den verlorenen Sohn zurück zu holen. Ja, in den Garten würde man mich lassen, aber leider hat man den Zugang zum Garten mit einer Spiegelwand verkleidet, sodass man nicht durch die Tanzschule in den Garten kam. Prima. Also durfte ich mit Aluleiter und Taschenlampe bewaffnet Nachts um eins über unseren Zaun klettern um den Kater zu retten. Der hatte aber alles Mögliche im Kopf, ausser meine Aktion als Rettung zu begreifen. Schliesslich ergab sich für ihn eine völlig neue, aufregende Art von Spiel: Immer wenn ich in zirka sechs Metern Höhe in stockfinsterer Nacht mit einer Taschenlampe versuchte, den Guinnes dazu zu bewegen, zu mir zu kommen, kletterte er auf einen anderen Ast, miaute mich an und erwartete, dass ich ihm folge. Das ging so ungefähr anderthalb Stunden. Rauf auf die Leiter, Kater rufen, Kater klettert auf nächsten Ast, Leiter runter, Leiter umsetzen und das Ganze von vorn. Nachdem der Guinnes genug und ich keine Nerven mehr hatte, fand die Aktion doch noch ein glückliches, unversehrtes Ende. Natürlich wurde die Schwäche im Kaninchenzaun umgehend behoben. Bis heute hat es zwar etliche Ausbruchsversuche, aber keinen Erfolg mehr gegeben. In Sicherheit wiegen wir uns natürlich nicht. Dennoch ist der Garten ein durchschlagender Erfolg. Für Guinnes ist er das Perpetuum Mobile an Spielen schlechthin. Man kann hinter jedem Blättchen hinterherjagen und jedes Rascheln genauestens Untersuchen. Jinny hingegen belauert lieber jedes Geräusch oder schläft in irgendeinem Gebüsch. Während im gesamten letzten Jahr lediglich eine einzige Maus erbeutet wurde, hat es die Motten- und Flattertierfraktion nicht ganz so leicht. Sobald ein Insekt Nachts von Licht in der Wohnung angezogen herbeischwirrt, bricht die Hölle los. Zwei laut schnatternde Fellknäule versuchen durch spektakuläre Sprünge, an das dreiste Insekt zu gelangen. Dabei werden Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Umgestürzte Gartenstühle, durch die Gegend fliegende Wasserschälchen oder vehementes Gepolter gegen Scheiben hält keinen Jagdtrieb auf. Für beide ist der Garten ein Segen. Für Guinnes, weil er in seinem unbändigen Spieltrieb keine Schneise der Verwüstung durch die Wohnung mehr zieht (unsere alte Ledercouch möge in Frieden ruhen ..) und für Jinny, weil sie keine Spielattacken von Guinnes mehr fürchten muss. Die Tür zum Garten ist immer auf, wenn wir zu Hause sind und lediglich Nachts oder wenn wir weg sind geschlossen. Das sind unsere Regeln. Unsere. Nicht ihre. Guinnes fällt noch heute von Zeit zu Zeit mitten in der Nacht ein, dass er offensichtlich im Garten Dringendes zu erledigen hat und fängt folgerichtig an, durch lautes Miauen, kratzen an der Terrassentür oder Getrampel im Bett den Freigang zu erzwingen. Noch liegen wir vorn, und es sieht so aus, als würde er langsam verstehen, dass es Nachts kein Draussen gibt. Das heisst, manchmal. Hin und wieder, wenn wir mal einen Tag bis spät in die Nacht ausgangen sind, dürfen die beiden zur Entschädigung die ganze Nacht draussen bleiben. Weihnachten, Geburtstag und Lottogewinn in Einem für beide. braunes Dreieck, das nach oben zeigtbraunes Dreieck, das nach unten zeigt

Katzenrituale - aus Schrullen werden Gewohnheiten

Jeder Katzenmensch kennt sie - die unvermeidlichen Katzenrituale. Jene kleinen, teilweise bizarren und immer wiederkehrenden Abläufe, mit denen die Fellknäule unseren Alltag bereichern. Zunächst ist da Guinnes' Bedürfnis zu erwähnen, die Nachbarschaft zu unterhalten. Dazu setzt er sich auf die Küchenanrichte ans Fenster in der Küche. Im Erdgeschoss hat man da einen hervorragenden Blick auf den Bürgersteig. Immer, wenn jemand vorbeikommt, macht er Männchen und fängt mitleiderregend an, mit den Vorderpfoten an der Scheibe zu scharren. Streng getreu dem Motto "Rettet Mich! Ich werde hier misshandelt!". Mittlerweile ist unser Küchenfenster Publikumsmagnet für die gesamte Nachbarschaft, die vor dem Fenster stehend, jauchzend "Oh wie Süss"-Rufe ausstösst. Wir haben viele, freundlich gesonnene Nachbarn aus der Strasse kennengelernt. Als fataler Fehler hat sich die Angewohnheit meiner Frau herausgestellt, den beiden als allererstes nach dem Wachwerden Feuchtfutter zu geben. Nicht, dass die beiden die morgendliche Fütterung nicht klasse fänden, gab es Uneinigkeit, was den Zeitpunkt anging. Der wurde insbesondere von Guinnes gerne schon mal auf vier Uhr morgens vorverlegt. Dabei gab es einen drei-Stufen-Plan. Erst kam er ins Schlafzimmer und fing aus vollem Halse an zu singen und zu nörgeln. Zeigte das keinen Erfolg, sprang er aufs Bett und fing an, neben dem Kopf meiner Frau auf dem Bettlaken zu kratzen. Wenn Sie selbst dann nicht reagierte, biss er ihr ins T-Shirt und zerrte kopfschüttelnd an dem Textil rum, wie ein Hund. Spätestens dann war die Nachtruhe für sie vorbei und die Fütterungszeit vorverlegt. Inszwischen haben wir die morgendliche Fütterung insofern abgeschafft, als dass ich die beiden füttere, wenn sie schon aus dem Haus zur Arbeit ist. Unnötig zu erwähnen, dass diese dreiste Planänderung unsererseits anfangs überhaupt nicht akzeptiert wurde. Besonders erbaulich ist der abendliche Ablauf. Meine Frau geht in der Regel recht früh ins Bett, während ich noch ein bis zwei Stunden arbeite oder Fernseh gucke. Ich bin absoluter Nachtmensch, sie überhaupt nicht. Macht nix. Auch den Katzen nicht. "Nachmensch" heisst in Katzensprache übersetzt "verlängerte Gartenzeit". Irgendwann kommt aber unweigerlich der Zeitpunkt, an dem beide gefälligst reinzukommen haben, und die Tür zum Garten zugeht. Bei Jinny ist das leicht: Trockenfutter lautstark in der Küche auffüllen, schon kommt sie angerannt. 1:0 für mich, allerdings wird ein klarer 2:0 Sieg erwartet. Bleibt Guinnes. Der begreift das ganze - wie kaum anders zu erwarten - als Spiel. Erst versuche ich ihn reinzulocken, meistens vergebens. Dann muss ich raus, den Kater einfangen. Dabei läuft die Uhr gegen mich, denn Jinny frisst in der Küche nicht ewig und hat nach Vollendung der Mahlzeit natürlich nichts besseres zu tun, als rauszurennen. Meistens lässt sich Guinnes draussen leicht fangen - er mag es, wenn man ihn rein trägt. Meistens. Nicht immer. Manchmal schafft es Jinny raus, bevor ich Guinnes eingefangen habe. Es muss furchtbar albern aussehen, wie ich mit einer Katze unterm Arm versuche, die Zweite einzufangen. Sind beide drin und die Gartentür zu, geht es ohne Umwege ins Arbeitszimmer, da die Tür ja auch noch geschlossen werden muss. Dann wird sich im Arbeitszimmer versteckt und ich muss die beiden dort rausschaffen. Schlaue Leser werden einwenden, dass ich die Arbeitszimmertür schon vorher schliessen könnte. Aber ich mache immer als letzten Akt bevor ich ins Bett gehe, einen Rundgang durch die Wohnung, um sicher zu gehen, dass alles abgeschaltet ist, was abzuschalten ist. Wer sagt, das nur Katzen Macken haben ?

Thomas Weyergraf, 19.08.2007

Zuletzt geändert am 11.10.2008 23:24                Zurück zur Hauptnavigation

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