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Feline Nieren und ihre Alterungsprozesse sowie deren Einflüsse auf andere Organe

Cordula Poulsen Nautrup, München

Die physiologischen Alterungsprozesse der Niere entsprechen den allgemeinen geriatrischen Veränderungen und stellen primär keine Erkrankung dar. Die progressiven, das heißt, stufenweise fortschreitenden, und unterschiedlichen renalen Altersveränderungen, die bisher überwiegend beim Menschen erforscht wurden, betreffen die Verringerung der Zellmasse vorwiegend im Nierenrindenbereich. Die Zahl der Nierenkörperchen verringert sich durch Sklerosierung und die Nierenkanälchen atrophieren. Die glomeruläre Filtrationsrate sinkt um bis zu 40 %. Ebenso vermindert sich die Fähigkeit der Nieren den Harn bedarfsweise zu konzentrieren oder zu verdünnen. Veränderungen der Nierengefäße führen zu einer verminderten Organdurchblutung und gleichzeitig zu einer eingeschränkten Anpassungsfähigkeit auf einen eventuell gesteigerten Blutbedarf. Bedingt dadurch kommt es beim alten Menschen zu einer deutlichen Abnahme der Nierenfunktion um etwa 30 bis 50 %. Zudem führen die genannten Funktionseinschränkungen zu einer verminderten Anpassungsfähigkeit der Niere auf innere und äußere Belastungen. So besitzen negative Einflüsse erheblich stärker schädigende Wirkungen auf die Nieren alter Leute als auf die von jungen. Das bedeutet, dass akute Niereninsuffizienzen besonders durch eine verminderte Durchblutung nach Medikamentengabe oder bei verringerter Herzauswurfleistung häufiger bei alten Menschen diagnostiziert werden als bei jungen. Die eingeschränkte Nierenfunktion bedingt im Alter eine veränderte Elimination von körpereigenen und exogenen Substanzen. Alle Altersveränderungen verlaufen im allgemeinen progressiv, asynchron, besitzen ein individuell unterschiedliches Ausmaß und können zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Erkrankungen führen und eine Heilung verhindern.

Untersuchungen bei Hunden und Katzen lassen vermuten, dass auch bei diesen Spezies die Funktion und die Anpassungsfähigkeit der Nieren im Alter abnehmen. So finden sich bei Katzen älter als zehn Jahre viel öfter Nierenerkrankungen als bei jüngeren Tieren.

Insbesondere chronische Niereninsuffizienzen treten bei Katzen älter als zehn Jahre doppelt so häufig und bei Katzen älter als 13 Jahre mehr als sechsmal so häufig auf als bei jüngeren Tieren im Alter zwischen sechs und sieben Jahren. Entsprechend oft kann die chronische Niereninsuffizienz als die eigentliche Todesursache angesehen werden. Die akute Niereninsuffizienz, die primär keine Alterserkrankung darstellt, ist bei alten Katzen prognostisch ungünstiger zu bewerten als bei jungen. Die generell selten auftretenden Nierenkarzinome und –sarkome werden ebenfalls überwiegend bei alten Katzen diagnostiziert. Allerdings bestehen Nierentumore meist geraume Zeit ohne klinische Symptome hervorzurufen und bleiben so lange unentdeckt.

Als ein Beispiel für eine überwiegend bei alten Katzen auftretende Nierenveränderung soll die chronische Niereninsuffizienz ausführlicher behandelt werden: Die Definition einer Niereninsuffizienz beinhaltet die Einschränkung des Glomerulumfiltrates mit Zunahme der harnpflichtigen Substanzen im Serum. Unter einer chronischen Niereninsuffizienz wird ein Krankheitskomplex mit symptomatischem Verlust der Nierenfunktion sowie den daraus folgenden Komplikationen und metabolischen Veränderungen verstanden. Ein Großteil der Sekundärveränderungen, die annähernd jedes Organsystem betreffen können, resultiert aus der Retention harnpflichtiger Substanzen (renale Azotämie: Stickstoffüberschuss im Blut). Da die chronische Niereninsuffizienz einen irreversiblen Prozess darstellt, kann das tödliche Endstadium nur durch dauerhafte Dialyse und/oder Nierentransplantation verhindert werden. Diese beiden therapeutischen Maßnahmen kommen bei Katzen in Deutschland derzeit nicht in Frage.

Die Ursachen einer chronischen Niereninsuffizienz sind vielfältig: Häufig liegt eine idiopathische chronische interstitielle Nephritis vor. Chronische Glomerulopathien, Amylopathien, Pyolonephritiden, Lymphome, FIP, Hyperthyreose oder Zystennieren führen bei der Katze seltener zu einer chronischen Niereninsuffizienz. Unabhängig von der primären Lokalisation und der Ursache besitzen alle genannten chronischen Nephropathien eine fortschreitende Tendenz und führen zur Schädigung aller Nierengewebe wie Nierenkörperchen und Nierenkanälchen, Interstitium und Gefäßsystem.

Der Verlauf einer chronischen Niereninsuffizienz lässt vier Stadien erkennen:

  • Im Anfangsstadium der chronischen Niereninsuffizienz kommt es zu einer Verminderung des Glomerulumfiltrates und zu einer Einschränkung der maximalen Harnkonzentrationsfähigkeit bei normaler Harnmenge. Da in diesem Stadium keine klinischen Symptome vorhanden sind und das Allgemeinbefinden der Katzen ungestört ist, wird die Erkrankung nur zufällig entdeckt, beispielsweise wenn ein Durst- oder Konzentrationsversuch durchgeführt wird.
  • Mit fortschreitender Erkrankung nimmt die Glomerulumfiltration weiter ab und die Rückresorption im Tubulussystem ist vermindert, so dass es zur Polyurie (Harnabsatz mehr als 50 ml pro kg Körpermasse und Tag) mit folgender Polydipsie (Wasseraufnahme größer als 100 ml pro kg Körpermasse und Tag) kommt. Das spezifische Harngewicht liegt auch nach zwölf- bis vierundzwanzigstündigem Flüssigkeitsentzug unter 1,035. Kreatinin und Harnstoff sind in diesem Stadium nicht oder nur wenig erhöht, Elektrolytstörungen fehlen im Allgemeinen.
  • Bei fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz besteht eine deutliche Azotämie mit erhöhtem Serum-Harnstoff und –Kreatinin. Zudem verschieben sich die Elektrolyte. Phosphat steigt, eine Azidose tritt auf. Natrium, Kalium, Chlorid und Kalzium können vermindert oder normal sein. Die Tiere weisen ein gestörtes Allgemeinbefinden auf, zeigen Inappetenz, Erbrechen, eventuell Durchfall, Gewichtsverlust und Dehydratation. Neurologische Symptome aufgrund der verminderten Ausscheidung neurotoxischer Stoffwechselprodukte reichen von leichten Zuckungen über Krämpfe bis hin zum Koma. Ulzera auf Schleimhaut und Zunge können beobachtet werden, ebenso eine schmutzig bräunliche Verfärbung der Mundschleimhäute.
  • Mit zunehmender Dauer der chronischen Niereninsuffizienz nehmen Polyurie und Polydipsie ab, bis es im Endstadium zu einer Oligurie kommt. Dieser verminderte Harnabsatz unter 24 ml pro kg Körpermasse und Tag ist durch Flüssigkeitszufuhr nicht mehr beeinflussbar. Die Azotämie erreicht höchste Werte, Chlorid und Kalzium sind erniedrigt, Kalium und Phosphat deutlich erhöht. Die Tiere erscheinen apathisch und das Allgemeinbefinden ist hochgradig gestört.

Eine häufige Komplikation bei der chronischen Niereninsuffizienz ist der systemische Bluthochdruck, der wiederum eine folgenschwere Linksherzhypertrophie bedingt. Die Ursache für eventuell auftretende maligne Herzrhythmusstörungen ist entweder die Niereninsuffizienz selbst oder die sekundäre Hypertrophie der linksventrikulären Muskulatur. Generell führen die Herzund Kreislaufveränderungen zu einer zusätzlichen renalen Minderdurchblutung und damit zu einer weiteren Nierenschädigung. Die Atmung ist verstärkt; der Bronchialbaum erscheint im Röntgenbild wegen Kalkeinlagerungen vermehrt verschattet. Die Azotämie führt zu Übelkeit und Erbrechen, Schleimhautnekrosen, Magenerosionen, eventuell mit Blutungen, und Durchfall. Retinopathien und Blindheit können besonders sekundär durch den systemischen Bluthochdruck auftreten. Es kann das Bild eines renalen sekundären Hyperparathyreoidismus bestehen.

Die Therapie ist dem Stadium der Erkrankung und den jeweiligen Symptomen anzupassen. Flüssigkeit muss ausreichend aufgenommen werden. Die Azidose kann beispielsweise mit Natrium-Bikarbonat ausgeglichen werden. Wichtige weitere Maßnahmen bestehen ein der Therapie der gastrointestinalen Entzündungen und Blutungen und in der Wiederherstellung der Futteraufnahme. Eine proteinarme Diät ist sinnvoll. Weiterhin muss ein eventueller sekundärer Hyperparathyreoidismus medikamentös angegangen werden. ACE-Hemmer senken den intraglomerulären Druck, vermindern die Proteinurie sowie die Nierensklerose und wirken gleichzeitig positiv auf die linksventrikuläre Hypertrophie. Das bedeutet, diese Stoffgruppe ist auf jeden Fall bei einer chronischen Niereninsuffizienz indiziert.

Abschließend kann vermerkt werden, dass die progressiven Altersveränderungen der Niere im Allgemeinen nicht pathologisch und damit nicht behandlungsbedürftig sind. Jedoch empfiehlt es sich, bei Katzen älter als zehn Jahre halbjährliche Kontrolluntersuchungen, am besten mit einem Durst- oder Konzentrationsversuch durchzuführen. Beim Auftreten einer Erkrankung wie der chronischen Niereninsuffizienz müssen in Abhängigkeit vom Schweregrad therapeutische Maßnahmen erwogen oder sofort ergriffen werden.

Literatur: KRAFT, W. (2003): Krankheiten der Harnorgane. Krankheiten im Alter. In: KRAFT, W.,
DÜRR, U. M. und HARTMANN, K. (Hrsg.): Katzenkrankheiten. Klinik und Therapie. Bd. 2, 5. Aufl. Verlag M. & H. Schaper, Alfeld, Hannover, S. 857-930 und S. 1173-1190.
KRAFT, W. (Hrsg.) (2003): Geriatrie bei Hund und Katze. 2. Aufl. Parey Verlag, Stuttgart.

Der Original-Text ist zu finden auf: http://www.vetkom.de/download/poulsen_alterungsprozesse.pdf

Anschrift der Verfasserin:
Prof. Dr. Cordula Poulsen Nautrup
Institut für Tieranatomie I, Ludwig-Maximilians-Universität München
Veterinärstraße 13, D-80539 MÜNCHEN

Zuletzt geändert am 11.10.2008 23:24                Zurück zur Hauptnavigation

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