Ein Rätsel
Der erste Weckvorgang heute morgen um halb sechs war mal wieder begleitet
von unbeschreiblicher Katzenrandale, welche von irgendwoher an mein Ohr
drang. Ich fluchte, vergrub meinen Kopf unter dem Kopfkissen und versuchte
weiterzuschalfen, was natürlich nicht gelang, eines der Monster kratzte
unvermindert weiter, das Kissen war nicht so nützlich wie Oropax es gewesen
wäre.
Oropax, seufzte ich in Gedanken. Friede der Ohren: Offenbar ist Narses des
Gedankenlesens befähigt, denn obwohl ich nicht ein Wort gesagt hatte, wußte
er, ich war wach, stellte das Randalieren sofort ein, sprang aufs Bett,
so laut schnurrend, wie er zuvor randaliert hatte. Gestreichelt werden wollte
er wohl nicht, denn als ich das begann, sprang er sofort runter, raste in
die Diele, wo er vor der Katzenklappe inne hielt und mich anglotzte.
Müde blinzelte ich auf die Klappe, erkannte, daß das Öffnungsrädchen auf
"offen" stand und verschwand wieder im Bett. Was will er denn? dachte ich
noch, die Klappe ist doch auf. Das war in der Frühe.
Um ca. 9.00 Uhr dringen unmißverständliche Geräusche an mein geplagtes Ohr,
ein Blick auf die Uhr sagt mir, es ist schon okay jetzt aufzustehen, also
wälze ich mich hinaus, verschwinde im Bad, einzig gestört durch Narses,
der weiter plagt. Kratz, scharr,scharr, kratz!
Genervt werfe ich die Zahnbürste ins Waschbecken, spähe aus der Badezimmertür
und finde Narses vor der Klappe, der sofort zu scharren aufhört und mich
erwartungs- und vorwurfsvoll angafft. "Ja, dann geh doch raus." rufe ich
nicht ohne mich über den Herrn Kater zu wundern, was er mit erbärmlichen
Miiiiiiauuuu! quitiert. ( Ich kann nicht!!!!!) "Warum denn nicht? Sie ist
doch offen." Ich streichle ihn ein Ründchen und setze die Morgenhygiene
genervt fort. Jedesmal dasselbe. Sobald ein Dosi weg ist, werden die Tiger
seltsam.
Später in der Küche, noch bevor ich meinen Kaffe mache, wird Narses mit
frischem Futter versorgt, welches er sorgfältig und nutzlos mit Luft zu
scharrt, dabei von Minka, die auf dem Gefrierscharank döst, mißbilligend
beobachtet. Wie ich versucht sie seit den frühen Morgenstunden zu schlafen,
was wegen der Penetranz eines bei uns lebenden Katzenmannes verhindert wird.
Sie streckt sich, springt auf den Boden, verschwindet im Wohnzimmer, um
sich einen lärmlosen Schlafplatz zu wählen, nicht ohne sich bei Narses im
Vorübergehen mit einem Tatzenschlag auf den Kopf genau zwischen die Ohren
zu bedanken, daß sie seit Stunden kein Auge zu gemacht hat, was er mit Fauchen
und Verharren vor dem unberührten Napf beantwortet, derweil ich endlich
meinen Kaffe koche und verzweifelt herauszubekommen versuche, was dieser
Kater jetzt bitte wünscht.
Ich versuche es mit Trockenfutter, was ebenfalls zugescharrt wird, genauso
die Milch, Katzenleckerchen und eine Scheibe Schinken. Beim Käse höre ich
ihn genervt aufstöhnen. "Miih", sagt er anschließend resigniert und geht
weg. Mitllerweile bin ich richtig wach, räume das Haus auf, empfange ein
Telefonat, treffe eine Verabredung, als ich sehe, wie Narses wie von Wahnsinn
befallen im Katzenklo herum scharrt, ohne ein Geschäft zu verrichten, im
Wirtschaftsraum verschwindet, von wo aus ich gleichermaßen ausgiebiges Scharren
im anderen Katzenklo vernehme, das er aber sofort wieder verläßt, als er
mich sieht und wiederum wie vom Irrsinn ergriffen zu seiner Katzenklappe
rast, um dort mit unerschöpfter Audauer weiter am Rahmen des Guckfensters
zu scharren.
Die Geräusche kommen mir bekannt vor. Er muß mal, er haßt Katzenklos, er
macht nur draußen. Warum also geht er nicht raus? Das Rädchen der Klappe
symbolisiert noch immer "offen" und ich frage mich, ob Narses in der letzten
Zeit eindeutig zu viel Rinderherz bekommen hat. Ich streichle ihn noch einmal
ausgibieg und widme mich dann meinen Alltagsgeschäften, derweil Narses mit
kullerunden Augen und gerunzelter Stirn hinaus in den Schnee glotzt, als
erwarte er von dort eine Antwort, auf die überdeutliche Frage, warum, zum
Teufel, er eine so hohle Dosine verdient hat.
Als ich den Müll rausbringe, werfe ich einen Blick auf unser Außenthermometer
und fröstele. Minus 9 Grad. Entsetzlich, auch der Gedanke an Minus 20 Grad
in Norwegen tröstet mich nicht, Narses soll doch froh sein, daß er im Warmen
hockt, ich kehre zurück ins Haus, warte im Wirtschaftsraum, bis der Schnee
an meinen Rollirädern weg geschmolzen ist, höre "kratz,scharr, scharr, scharr,
kratz!", stöhne verdrossen und beschließe des Schnees an den Rädern zum
Trotz zu Narses zu fahren, um nun endlich herauszubekommen, was denn bitte
schön sein Herz begehrt.
Sein Herz begehrt Freiheit, scheint es, warum er sie nicht einfach nutzt
bleibt mir so verschlossen wie die Katzenklappe und die Antwort auf Frage,
was das alles soll, also klettere ich aus dem Rolli, lasse mich neben ihm
nieder und krabbele ihn hinter dem Ohr. "Miiiiih! ( Ich muß mal!) "Dann
geh doch raus." , hauche ich süß, ihn weiter krabbelnd, doch er entwindet
sich meiner Berührung und stellt sich Torwächter gleich vor die Klappe.
"Iiiiiiirgh!" ( Ich kann nicht.) "Warum denn nicht?" "Miiiaaaaaaaauuuuuuuuh!"
Auweia, das klingt genervt bis aggressiv, soll " es ist kalt" heißen, was
ich nicht verstehe.
Will er mir etwa die Schuld dafür geben, daß ihm sein Schniedel einfriert,
wenn er sein Geschäft draussen verrichtet? "miiiiaaa!" Scharr. scharr, kratz.
( Es ist kalt im Staate Dänemark!) Ich runzele die Stirn. Scharr, kratz!!!!
"Miiuuu" ( mach was!!!!!) Aber was? Ist sein Hirn vielleicht eingefroren?
Nun, nur für den Fall, daß diese Vermutung zutrifft, beschließe ich, die
Klappe anzuheben, um ihm zu zeigen, wie einfach es ist, in die Freiheit
zu gelangen. Ich drücke gegen die Plastikscheibe. Nichts passiert. Nanu?
Ich robbe näher heran und begreife endlich, denn um die Klappe zieht sich
ein zauberhafter aber durchsichtiger Rand Eis, sie ist zugefroren, läßt
sich zumindest nicht von Katzenpfoten und Katzenköpfen öffnen. So stoße
ich sie auf, in jede Richtung und reibe das Eis ab, Narses entschwindet
sofort, taucht unter einem Gartenbusch ein, hockt sich in den Schnee, pinkelt
und in seinem Gesicht lese ich die pure Erleichterung "Aaaaaah!"
Leider wartet er anschließend nicht im Wirtschaftsraum, bis ihm der Schnee
vom Hintern weg geschmolzen ist, sondern legt sich sofort und naß auf dem
Sofa zur Ruhe, dabei aus den Augenwinkeln von Minka beobachtet. "Brrt!",
sagt sie, was soviel heißt wie "Und Ruhe ist"
Tiane, 23.01.2000