Fibrosarkom
Fibrosarkom bei Katzen
Zusammenfassung
Einleitung
Fibrosarkome an Injektionsstellen von Tierarzneimitteln
Ätiologie
Empfehlungen
Einschätzung des Nutzen-/Risikoverhältnisses
Injektionsstellen und Applikationsarten
Auffrischungsimpfungen
Zukünftige Erfordernisse
Ausgewählte Literaturhinweise
Fibrosarkome bei Katzen
Ausschuss für Tierarzneimittel der EMEA: Hinweis für Tierärzte über die
Entwicklung von Fibrosarkomen an Injektionsstellen nach Gabe von Tierarzneimitteln
an Katzen
Zusammenfassung
Der Ausschuss für Tierarzneimittel (Committee for Veterinary Medicinal Products
- CVMP) hat diesen Hinweis für Tierärzte im Hinblick auf die Entwicklung
von Fibrosarkomen bei Katzen an Injektionsstellen von Tierarzneimitteln
verfasst, um den zunehmenden Bedenken in diesem Zusammenhang Rechnung zu
tragen. Die Ratschläge beziehen sich in erster Linie, jedoch nicht ausschließlich,
auf die subkutane Injektion von Impfstoffen. Die Problematik ist nur für
Katzen relevant und sollte weder auf andere Tierarten noch auf den Menschen
übertragen werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es nicht möglich,
spezifische Ratschläge über das Risiko zu erteilen, das einzelne Produkte
oder Produktgruppen hinsichtlich der Auslösung eines Fibrosarkoms an der
Injektionsstelle in sich bergen könnten. Dem Vorsorgeprinzip folgend ist
der CVMP jedoch der Auffassung, dass Informationen zu diesem Punkt den Tierärzten
zugänglich gemacht werden sollten, damit diese die Katzenhalter über Nutzen
und Risiken von Behandlungsmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf die Impfung
und Wiederholungsimpfung beraten können. Der CVMP möchte betonen, dass moderne
Impfstoffe weiterhin die einzigen sicheren und wirksamen Mittel darstellen,
um Katzen gegen schwere Infektionskrankheiten zu schützen. Dies sollte bei
jeder Diskussion zwischen Tierärzten und Katzenhaltern voll berücksichtigt
werden.
Einleitung
Dieser Hinweis wird durch das CVMP mit Rücksicht auf die wachsende Besorgnis
über die offensichtliche Zunahme der Anzahl von Fibrosarkomen bei Katzen
in der EU herausgegeben. Diese Fibrosarkome treten an anatomischen Stellen
auf, die allgemein als Injektionsstellen für die Gabe von Tierarzneimitteln
verwendet werden, wobei vor allem die interskapulare Region (Region zwischen
den Schulterblättern) betroffen ist. Besonderes Augenmerk wird dem Zusammenhang
zwischen der subkutanen Injektion von Impfstoffen in dieser Region und der
darauffolgenden Entstehung von Fibrosarkomen1 gewidmet. Der vorliegende
Hinweis fasst einige der wesentlichen derzeit verfügbaren Informationen
zusammen und empfiehlt Tierärzten, diese Informationen bei den Beratungen
über Impfungen mit den Katzenhaltern zu berücksichtigen. Ferner wird auf
jene Bereiche hingewiesen, welche weitere Daten erfordern, um die Qualität
der Informationen für Tierärzte und Katzenhalter zu diesem Thema zu verbessern.
Der CVMP geht davon aus, dass moderne Impfstoffe ein sicheres und wirksames
Mittel zum Schutz von Katzen gegen Infektionskrankheiten darstellen. Das
Risiko einer Ansteckung einzelner Tiere mit einer Infektionskrankheit kann
durch eine Impfung erheblich reduziert werden, und das Auftreten von Infektionskrankheiten
in einer Population wird durch eine hohe Durchimpfrate ebenfalls reduziert.
Dem CVMP ist deshalb daran gelegen, sicherzustellen, dass diese bekannten
Vorteile von Impfungen bei einer Diskussion zwischen Tierärzten und Katzenhaltern
über die relativen Risiken und Nutzen der Impfung von Katzen im Einzelfall
voll berücksichtigt werden.
Sämtliche heute verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass sich diese Problematik
lediglich auf Katzen bezieht und nicht auf andere Tierarten oder den Menschen
übertragen werden sollte. Das Phänomen scheint mit einer speziellen Reaktion
von Katzen auf bestimmte Substanzen, insbesondere bei einer subkutanen Injektion,
im Zusammenhang zu stehen.
Fibrosarkome an Injektionsstellen von Tierarzneimitteln
Geschichte und Vorkommen
Seit Anfang der 90er Jahre sind Berichte zu epidemiologischen Studien an
Katzen veröffentlicht worden, die einen statistischen Zusammenhang zwischen
der Gabe von Tierarzneimitteln, insbesondere von inaktivierten adjuvantierten
Impfstoffen, und einer darauffolgenden Entstehung von Fibrosarkomen an der
Injektionsstelle aufzeigen. Diese Studien sind weitgehend retrospektiv und
basieren auf Berichten zu Biopsieproben, die Labors für diagnostische Pathologie
vorlagen. Zur Häufigkeit der Entstehung von Fibrosarkomen nach Impfungen
gibt es in der EU keine genauen Schätzungen. Eine aktuelle retrospektive
Analyse von Daten zu Nebenwirkungen bei Impfstoffen in Großbritannien ergab
ein Vorkommen von 0,021 Fällen von Fibrosarkomen pro 10.000 Dosen zwischen
1995 und 19992 verkaufter Katzenimpfstoffe. In den USA dagegen, wo die Impfstoffe
und Impfpraktiken sich von denjenigen in der EU unterscheiden, wurde das
Vorkommen auf zwischen 1 und 10 Fälle pro 10.000 Dosen eingesetztem FeLV
(Katzen-Leukose-Impfstoff) oder Tollwutimpfstoff geschätzt. Aufgrund der
großen Unsicherheitsfaktoren bei retrospektiven epidemiologischen Untersuchungen,
nämlich die Anzahl vorhergehender Impfungen, die Natur des verabreichten
Produktes, den Zeitraum zwischen der Gabe des Impfstoffes und der Tumorentstehung,
die genaue Beschaffenheit des Tumors und seine pathologische Klassifikation
usw., sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu beurteilen. Für sich selbst
betrachtet deuten diese Studien auf einen Zusammenhang zwischen den beiden
Impfungen und der Entstehung von Fibrosarkomen hin, aber sie zeigen keine
kausale Beziehung.
Ätiologie
Es wurden Studien durchgeführt, um nachzuweisen, ob gewisse Inhaltsstoffe
von Impfstoffen oder andere Faktoren bei der Pathogenese von felinen Fibrosarkomen
eine Rolle spielen. Die eigentliche Ätiologie bleibt jedoch bis heute unklar.
Untersuchungen von Tollwutimpfstoffen, FeLV-Impfstoffen, Aluminiumadjuvantien,
anderen Adjuvantien, Lebendviruskomponenten, Monoimpfstoffen gegenüber Vielfachimpfstoffen
sowie anderen Arzneimitteln bei der Entstehung von Fibrosarkomen wurden
widersprüchliche Ergebnisse erzielt. Epidemiologische Studien waren bisher
nicht in der Lage, spezifische Arten von Impfstoffen zu identifizieren,
die bei der Fibrosarkomentstehung ein erhöhtes Risiko darstellen könnten.
Die derzeit am meisten akzeptierte Hypothese lautet, dass die Impfstellen-assoziierte
Fibrosarkomentstehung im Zusammenhang mit der Induktion einer chronisch
entzündlichen Reaktion an der Impfstelle steht. In diesem Modell kann jeder
Bestandteil, der eine lokale Entzündung an der Injektionsstelle induziert,
einschließlich der Lebendimpfstoffe und der inaktivierten Impfstoffe (mit
oder ohne Adjuvantien) sowie anderer nicht-immunologischer Tierarzneimittel,
mit der anschließenden Entwicklung von Fibrosarkomen bei dafür anfälligen
Katzen in Verbindung stehen. Es können bisher noch nicht bestimmte genetische
Faktoren existieren, die zu einer erhöhten Empfindlichkeit oder Widerstandsfähigkeit
gegenüber der Entwicklung dieser Krankheit führen. Was die Applikationswege
betrifft, so wurden Tumoren sowohl bei intramuskulärer als auch bei subkutaner
Anwendung beschrieben. Die meisten bisher veröffentlichten Studien beziehen
sich jedoch auf subkutan applizierte Impfstoffe.
Empfehlungen
Allgemein
Der CVMP ist nicht in der Lage, das Risiko zu benennen, das ein bestimmtes
Arzneimittel oder eine Arzneimittelgruppe in Bezug auf die Entwicklung eines
Fibrosarkoms an der Injektionsstelle in sich bergen könnte. Dennoch ist
der CVMP der Meinung, Tierärzte darauf aufmerksam machen zu müssen, dass
jedes Produkt, welches Katzen subkutan oder intramuskulär verabreicht wird
und nachfolgend an der Einstichstelle zu einer Entzündung führt, ein erhöhtes
Risiko der Fibrosarkomentwicklung an dieser Stelle mit sich bringen kann.
Einschätzung des Nutzen-/Risikoverhältnisses
Impfungen stellen weiterhin das einzige sichere und wirksame Mittel dar,
Katzen vor den wichtigsten Infektionskrankheiten zu schützen. Trotzdem sollte
der Tierarzt eine Abschätzung des Nutzen-/Risikoverhältnisses im Zusammenhang
mit der Notwendigkeit der Anwendung des Präparates durchführen und mit dem
Katzenhalter absprechen. Für den einzelnen Patienten sollten unter Berücksichtigung
der medizinischen Bedeutung, der Zoonoseprophylaxe, des Expositionsrisikos
und der rechtlichen Erfordernisse in Bezug auf die Impfung (z.B. bei Tollwut)
Impfprotokolle individuell erstellt werden.
Injektionsstellen und Applikationsarten
Tierärzte sollten die Impfstelle sorgfältig auswählen, wobei sie die für
das betreffende Produkt zugelassenen Applikationsarten sowie die Tatsache
berücksichtigen sollten, dass Sarkome in der interskapularen Region schwieriger
zu behandeln sind als Sarkome an anderen Körperstellen. Einige Experten
raten zur Applikation monovalenter Impfstoffe distal an verschiedenen Gliedmaßen
mit der Begründung, dass dies im Falle einer Fibrosarkomentstehung die Amputation
erleichtert. Aufgrund der praktischen Schwierigkeiten, die sich aus diesem
Impfschema ergeben, und dem Mangel an diese Theorie unterstützenden Daten
ist der Ausschuss jedoch derzeit nicht in der Lage, diese Empfehlungen zu
befürworten.
Auffrischungsimpfungen
Um jegliches Risiko, das eine Impfung darstellen könnte, zu reduzieren,
könnten die Tierbesitzer bei ihrem Tierarzt die Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen
in regelmäßigen Abständen, meist von einem Jahr, hinterfragen. Da es die
Datensituation nicht zulässt, ist der CVMP derzeit nicht in der Lage, andere
als die in den Produktinformationen vorgeschriebenen Abstände für eine Wiederholungsimpfung
zu empfehlen. Die Katzenhalter sollten deshalb darauf aufmerksam gemacht
werden, dass der Impfschutz gegen die betreffende Krankheit nur wirksam
aufrechtzuerhalten ist, wenn die Impfstoffe gemäß den festgelegten Zulassungsbedingungen
angewendet werden. Trotzdem sollten die Tierärzte beachten, dass die vom
Hersteller angegebene Dauer der Immunität eine durch die zum Zeitpunkt der
Zulassung verfügbaren Daten gestützte Mindestdauer darstellt. Dies sollte
bei der Besprechung mit dem Katzenhalter über die Intervalle von Auffrischungsimpfungen
berücksichtigt werden.
Zukünftige Erfordernisse
Der CVMP hält fest, dass ein besseres Verständnis der Epidemiologie und
Ätiologie von Fibrosarkomen im Zusammenhang mit der Anwendung von Tierarzneimitteln
erforderlich ist. Diese Information wird eventuell spezifischere Ratschläge
in Bezug auf das Risiko ermöglichen, das die Gabe bestimmter Produkte oder
Produktgruppen in Bezug auf die Entstehung von Fibrosarkomen darstellt.
Der CVMP ist sich bewusst, dass sowohl in der EU als auch in anderen Ländern
Forschungsprojekte zur Verbesserung des Verständnisses dieser komplexen
Frage bestehen.
Eine regelmäßige Beobachtung durch die Tierärzteschaft stellt die beste
Überwachungsmaßnahme zur Auffindung von Fibrosarkomen dar, die im Zusammenhang
mit Tierarzneimitteln entstehen könnten. Die Tierärzte werden daher aufgerufen,
sämtliche derartige Fälle von Fibrosarkomen an die zuständige Behörde zu
melden, die für die Pharmakovigilanz (d.h. die Überwachung unerwünschter
Arzneimittelwirkungen) verantwortlich ist. Sie werden ferner dazu aufgerufen,
die Hersteller bei deren Untersuchungen zu einem möglichen Zusammenhang
zwischen der Anwendung ihrer Tierarzneimittel und der darauf folgenden Fibrosarkomentstehung
zu unterstützen.
Der CVMP und die zuständigen nationalen Behörden werden die Situation weiterhin
überwachen und Tierärzten sowie Tierhaltern zusätzliche Ratschläge erteilen,
sobald diese vorliegen.
Ausgewählte Literaturhinweise
Doddy, F.D., Glickman, LT., Glickman, N.W. und Janowitz, E.B. (1996) Feline
fibrosarcomas at vaccination and non-vaccination sites. Journal of Comparative
Pathology 114, 164-174
Gaskell, R., Gettinby, G., Graham, S., Skilton, D. (2002) Veterinary Products
Committee Report on Feline and Canine Vaccination. Final Report. Defra Publications,
UK; ISBN:0-95311234-5-6. (Zusammenfassung dieses Dokumentes wurde publiziert
in: Veterinary Record (2002), 2. Februar, Seiten 126-134. Ferner ist der
gesamte Bericht, der eine aktualisierte Übersicht der Literatur zum Gebiet
enthält, im Internet unter http://www.vpc.gov.uk zu finden.
Macy, D.W. (1999) Current understanding of vaccination site-associated sarcomas
in the cat. Journal of Feline Medicine and Surgery 1, 15-21.
www.avma.org/vafstf
www.vetadviceline.com
Quelle: Übersetzung des Dokuments EMEA/CVMP/205/03-ENDGÜLTIG des "Committee
for Veteriniary Medical Products" der "European Agency for the Evaluation
of Medicinal Products - Veterinary Medicines and Inspections", www.emea.eu.int